„Die Erinnerung ist keine Frage der Vergangenheit, sondern der Zukunft“ *
Ausstellung und Film über das KZ Mauthausen im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ in Mexiko-Stadt
„Sind die KZs nicht ein Problem der Juden?“ – Ich kann es kaum fassen, diese Frage wirklich zu vernehmen. Gut, denke ich bei mir, der Holocaust ist für die meisten MexikanerInnen doch sehr weit weg. Aber trotzdem – weiß man nur annähernd, was sich damals abgespielt hat, wie kann man da nur…? – Die Künstlerin Vida Yovanovich, die an diesem Abend persönlich durch die Ausstellung führt, gibt geduldig Auskunft und erklärt, dass im Konzentrationslager Mauthausen, dem ersten KZ, das außerhalb Deutschlands gebaut wurde, 16 verschiedenen Nationen vertreten waren und nicht nur Juden und Jüdinnen verfolgt und umgebracht worden seien. Außerdem gehe ein Verbrechen dieses Ausmaßes gegen die Menschheit alle etwas an.
Entstanden sind die Bilder der ungewöhnlichen Ausstellung bei einem dreimonatigen Aufenthalt der kubanisch-stämmigen Künstlerin in Mauthausen. Für Vida war das Projekt ursprünglich eine sehr persönliche Angelegenheit: aus einer serbischen Familie mit jüdischen Wurzeln wollte sie einem Teil ihrer Familiengeschichte auf den Grund gehen und einen kleinen Fotoband für ihre Enkelkinder darüber anfertigen. Gekommen ist es dann ganz anders: vier Jahre hat sie schließlich an dem Projekt gearbeitet, das nun seit 14. Juli im Laboratorio Arte Alameda, einem Ausstellungsraum für Kunst und neue Medien des nationalen Instituts für Schöne Künste, gezeigt wird.
Sprachengewirr im Kontrollturm
Betritt man den ersten Raum der Ausstellung („Transporte“), vermitteln drei Beamer, die einen schwarz-weißen tonlosen Film an die Wand werfen, den Eindruck, im Zug unterwegs zu sein. Durch die absolute Geräuschlosigkeit und die Finsternis entsteht ein Raum, den wohl jede Besucherin, jeder Besucher, mit ihren eigenen Gedanken und Vorstellungen füllt. Die nächste Station („Torre de Control“) ist ein hoher, dunkler Raum, wo im oberen Bereich großformatig ein Ausblick vom Kontrollturm von Mauthausen eingeblendet ist. Betritt man den halboffenen Raum, wird man von einem Sprachengewirr eingehüllt – die Künstlerin hat einen jungen österreichischen Zivildiener, der eine englischsprachige Gruppe durch die Gedenkstätte Mauthausen führte, aufgenommen, und den Text in die 16 „KZ-Sprachen“ übersetzen lassen.
Ort der Inquisition
Die mexikanische Künstlerin, die bisher „klassische Fotoausstellungen“ produziert und sich viel mit Frauen-Biografien beschäftigt hat, hat in „Grita en silencio“ (dt.: “Schrei in der Stille”) zum ersten Mal mit Audio- und Videoinstallationen gearbeitet. „Ich habe mich einfach in den Ort hier verliebt. Die hohen Wände sind perfekt für meine meterhohen Projektionen. Außerdem faszinierte mich immer schon die Kraft, die von hier ausgeht“, erzählt Vida in einem kurzen Gespräch über das ehemalige Konvent, das direkt am Alameda-Park im Herzen von Mexiko-City liegt und zur Zeit der spanischen Herrschaft Austragungsort der Inquisition war.
Die Ausstellung, die insgesamt nur aus wenigen Räumen besteht, ist keine, die man schnell durchläuft, „um es gesehen zu haben“. Manche Projektionen beinhalten Details, die nur bei längerer Betrachtung auffallen, manche Bilder gehen überhaupt nach einiger Zeit in andere über. Die sorgfältig ausgewählten Fotos und Installationen beindrucken durch ihre imposante Größe und lassen viel Raum für persönliche Interpretationen. „Ich wollte nicht das Grauen fotografieren“, so die Künstlerin. „Mir geht es vielmehr darum, die Verantwortung, die jeder einzelne angesichts dieser Vergangenheit hat, zu thematisieren. Meine Arbeit ist für mich die einzige Möglichkeit, dieser grauenvollen Geschichte nicht gleichgültig gegenüber zu stehen“.
Homepage der Künstlerin (englisch und spanisch): http://www.vidayovanovich.com/
Die Ausstellung wurde unter Mitwirkung des österreichischen Kulturforums und weiterer 15 ausländischen Vertretungen in Mexiko organisiert. Hier geht’s zur Veranstaltungsankündigung auf der Homepage des österreichischen Kulturforums in Mexiko.
Im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ wurde am 27.8.2014 der Dokumentarfilm „Es war einmal in Mauthausen” der österreichischen Filmemacherin Susanne Ayoub präsentiert. Hier geht’s zu einem Ausschnitt dieses Films.
Homepage Laboratorio Arte Alameda (in spanisch).
* aus dem Ausstellungsprospekt, im Original: „La momoria no es una cuestión del pasado, sino del futuro.“ (Jacques Derrida, Memorias de Paul de Man).