Muslimin mit Kopftuch und Minirock

20.05.2009 | 16:10 | Nasila Berangy

Warum Kopftuch und figurbetonte Kleidung kein Widerspruch sind.

WIEN. Mine Özgül trägt einen knielangen körperbetonten Rock mit transparenter Strumpfhose. Dazu ein eng anliegendes Shirt, das ihre weiblichen Kurven betont. So weit, so gewöhnlich. Viele junge Mädchen und junge Frauen sind so gekleidet. Özgül hingegen kombiniert zu ihrem Outfit ein Kopftuch. Ein Widerspruch? Nicht für die 20-jährige Soziologie-Studentin. Sie habe sich bewusst für das Kopftuch entschieden, und sie steht dazu. Aber, so die junge Österreicherin mit türkischen Wurzeln: „Auf Mode möchte ich nicht verzichten.“

„Sie machen uns schlecht“

Doch dieser Kleidungsstil ist nicht bei allen gern gesehen, unter konservativen Muslimen sogar umstritten. „Es passt einfach nicht zusammen“, so die 15-jährige Gymnasiastin Sarah Mohamad. Auch sie hat sich für das Tragen eines Kopftuches entschieden. Im Gegensatz zu Özgül würde sie aber niemals eng anliegende Kleidung tragen. Mohamad findet, dass diese Mädchen „noch nicht bereit“ für das Kopftuch seien und auch „besser keines tragen sollten. Denn sie machen uns schlecht vor anderen.“

Ednan Aslan, Professor am Institut für islamische Religionspädagogik, kann diesem Kleidungsstil nichts Übles abgewinnen: „Muslimische Frauen befinden sich in einem Prozess religiöser Mündigkeit und haben angefangen, eine bestimmte Kultur und missverstandene Religion zu hinterfragen.“ Widersprüche und Konflikte seien „selbstverständlich“. Er deutet dies als Zeichen, dass muslimische Frauen ihre Religiosität „nicht mehr von Männern bestimmen lassen“. Das habe auch „Konsequenzen für die traditionell-religiöse Autorität“.

Kein Wort über enge Röcke

Tatsächlich steht im Koran nichts darüber, wie lange oder wie eng Rock oder T-Shirt sein sollen. Hinweise zur Kopfbedeckung hingegen finden sich im Kapitel 24, Vers 33: „Sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Tücher über ihre Brust ziehen sollen und ihre Reize vor niemandem enthüllen als vor ihren Gatten, ihren Vätern und ihren Söhne.“

Allerdings sieht nicht jede gläubige Muslimin darin die Aufforderung, sich zu bedecken. Samira Aghazadeh (32): „Ich bin nicht weniger gläubig als Frauen, die ein Kopftuch tragen.“ Die iranischstämmige Designerin sieht keinen Widerspruch von Kopftuch und moderner Kleidung, vermutet aber, dass für viele Mädchen diese Art der Kleidung „ein Kompromiss mit dem Elternhaus und der österreichischen Gesellschaft ist“. Und: Die Mädchen seien attraktiv und hätten eine gute Figur – warum also sollten sie sich in dunklen, sackartigen Mänteln verstecken, fragt Aghazadeh, beinahe entsetzt. Zumindest in einem Punkt scheint Konsens zu herrschen: Mädchen und Frauen sollen sich selbstständig für oder gegen das Kopftuch entscheiden.

Das Kopftuch führt aber immer wieder zu Kontroversen – das zeigt sich auch im Falle von Sarah Mohamad. Als sie anfing, ein Kopftuch zu tragen, gab es immer wieder Schwierigkeiten in der Schule. Wiederholt wurde ihr das Kopftuch heruntergerissen. (NASILA BERANGY)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.05.2009


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