Starke Frauen als Vorbilder für Integration

AUF EINEN BLICK:
  • Statistik: Rund 442.000 Frauen mit Migrationshintergrund haben ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Fast ein Viertel davon kommt aus Exjugoslawien, ein Achtel aus der Türkei. Familienzusammenführung ist für Frauen der häufigste Grund für die Einwanderung nach Österreich.
  • Probleme: Sie haben es auf dem Arbeitsmarkt oft doppelt schwer – sowohl als Frauen als auch als Migranten, sind sie mit zahlreichen Diskriminierungen konfrontiert.
  • Zusammen Österreich: Die vom Staatssekretariat für Integration initiierte Aktion soll mithilfe von Integrationsbotschaftern Motivation schaffen und Vorurteile abbauen. 78Männer und 55 Frauen mit Migrationshintergrund, die es geschafft haben, sollen unter anderem in Schulen vor den Vorhang geholt werden, um als Vorbilder für eine gelungene Integration in Österreich zu dienen.

07.03.2012 | 9:59 | Ana Znidar

Sie mussten kämpfen, um ernst genommen zu werden – und sie hatten es oft doppelt schwer. Nun sollen 55 Frauen mit Migrationshintergrund als Integrationsbotschafterinnen anderen Frauen Mut machen.

Wien. „Vertragen Sie die Wahrheit, oder erwarten Sie Lob?“ Sie könnte natürlich die schöne Landschaft loben, das gute Essen und die feinsinnige Kultur, meint Sanja Turkovic. „Oder ich erzähle darüber, wie hart und wie steinig der Weg für uns war.“ Es ist 20 Jahre her, dass die Landschaftsarchitektin mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Österreich gezogen ist. Ihre Zukunft in ihrem Heimatland Bosnien und Herzegowina hat der Krieg gerade zerstört.

Ihrer abenteuerlichen Flucht folgte in Österreich eine skurrile Ankunft: „So wurde uns etwa die Funktion eines Lichtschalters erklärt.“ Egal, wie sehr sie sich in den nächsten Jahren bemühte, Vorurteile, die ihr entgegengebracht wurden, zu entkräften – sie fühlte sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Wie vielen anderen hochqualifizierten Migranten blieben ihr Karrierewege versperrt. „Stattdessen öffnete ich ab 7.30 Uhr die Türen von McDonald’s- und Schlecker-Filialen. Und das viele, viele Jahre lang.“

Mehrere Auszeichnungen

Immerhin, 2006 konnte sie dem Teufelskreis entkommen und in Wiener Neudorf ein eigenes Planungsbüro eröffnen. Heute hat es Turkovic geschafft. Nicht nur beruflich – so rief sie unter anderem die Initiative für Soziale Freiraumgestaltung ins Leben, um eine angstfreie Begegnung verschiedener sozialer Gruppen zu fördern. Sie wurde mit dem Liese-Prokop-Frauenpreis und dem Woman Award ausgezeichnet – und sie ist heute Integrationsbotschafterin. „Nur hier zu sein ist gerade den hoch qualifizierten Migranten zu wenig“, sagt sie. „Wir wollen mitgestalten und verändern.“

Awoba Bagshaw Macheiner verbindet mit Turkovic ein ähnliches Schicksal. In ihrem Heimatland Nigeria studierte sie Jus, mit einem Job bei der UNO in Wien erfüllte sie sich einen Traum. Aber auch sie musste kämpfen: „Ich kann nicht sagen, dass mich hier jeder mit offenen Armen empfangen hat.“ Ähnlich ging es auch Amira Awad, der in Kairo geborenen Moderatorin der „Austria News“ auf Puls4. „Das Image von Menschen mit Migrationshintergrund ist in Österreich nach wie vor nicht besonders gut“, meint sie. „Man sieht mir an, dass ich von ,irgendwo‘ herkomme“, sagt Awad, die 2007 die erste österreichische Nachrichtensprecherin mit Migrationshintergrund war, „und anders zu sein war nicht immer leicht.“

Im Rahmen der Aktion „Zusammen Österreich“ möchten Turkovic, Bagshaw und Awad als Integrationsbotschafterinnen nun anderen Frauen mit Migrationshintergrund Mut machen. Bei der Initiative des Staatssekretariats für Integration wollen 55 Frauen und 78 Männer sich als positive Vorbilder für Jugendliche mit Migrationshintergrund präsentieren.

Wie? Integrationsbotschafterin Shoura Hashemi, die sich mit iranischen Wurzeln als „waschechte Wienerin“ fühlt und Österreich im diplomatischen Dienst vertritt, erklärt: „Nach dem Motto: ,Schaut her, man muss nicht in Österreich geboren sein, um hier zu Hause zu sein, um akzeptiert und ernst genommen zu werden, um beruflich erfolgreich zu sein.‘ Wenn dieses Bewusstsein vorhanden ist, wird ein Migrationshintergrund nicht als Bürde gesehen und Integration zur Selbstverständlichkeit.“

Gerade dieses Ziel ist aber für viele sehr schwer zu erreichen. Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund haben es doppelt schwer, denn sie werden oft mit doppelter Diskriminierung konfrontiert – mit der geschlechtstypischen und der, die „Fremden“ entgegengebracht wird.

Als Frauen betrifft sie die strukturelle Benachteiligung auf dem Erwerbsmarkt – sie verdienen immer noch weit weniger als Männer. Darüber hinaus wird der Migrationshintergrund auch bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche immer wieder als Nachteil gesehen. Aber nicht nur das – Mädchen mit Migrationshintergrund haben auch mit geschlechtstypischen Stereotypen zu kämpfen.

Gegen altmodische Rollenbilder

„Eine Frau mit arabischen Wurzeln wird oft automatisch für eine Muslimin und somit für männlichen Familienmitgliedern untergeordnet gehalten“, sagt die in China geborene und in Australien aufgewachsene Marketingmanagerin und Integrationsbotschafterin Ava Schacherl-Lam. „Eine Frau mit asiatischen Wurzeln sei gehorsam und wenig autark, und es werden auch Kommentare in Richtung ,mail order bride‘ gemacht.“

Darüber hinaus sind „für Mädchen mit Migrationshintergrund auf dem Weg in eine selbstbestimmte Zukunft die oft äußerst altmodischen Rollenbilder ein großes Hindernis“, sagt Susanne Gugrel vom Verein Sprungbrett für Mädchen. Wenn Mütter arbeiten, dann oft für geringe Entlohnung. Frauen mit Migrationshintergrund sind laut Statistik Austria überproportional im Einzelhandel, in der Gastronomie sowie als Haushaltspersonal beschäftigt.

Bilder von selbstständigen, erfolgreichen Frauen mit Migrationshintergrund in der Öffentlichkeit sollen nun dafür sorgen, dass diese stereotypischen Vorurteile abgebaut werden. Für die Integrationsbotschafterinnen gibt es also noch einiges zu tun.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.03.2012)


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