Tanz als Hilfe für Migrantinnen
- Das FEM-Süd (Frauen, Eltern und Mädchen) ist ein Frauen- gesundheitszentrum für Migrantinnen im Kaiser Franz Josef- Spital. Dort befindet sich auch das Männergesundheitszentrum MEN, das ebenfalls Menschen mit Migrationshintergrund anspricht. In der Semmelweis-Frauenklinik ist ein weiteres FEM untergebracht.
- Finanzierung: Das Geld für diese Institutionen kommt vom Wiener Krankenanstaltenverbund, der MA 17 der Stadt Wien und vom Gesundheitsministerium.
25.03.2008 | 8:13 | Josipa Crnoja
Das Gesundheitszentrum FEM-Süd bietet spezielle Kurse und Vorträge für Migrantinnen und sozial benachteiligte Frauen an.
WIEN. „Schnell, rechts zurück, Gewichtsverlagerung rechts, links vor, Gewichtsverlagerung auf links, rechtes Bein heranziehen, Gewichtsverlagerung auf rechts, Pause, wieder schnell.“ Konzentriert versucht Duska Pasic das Tempo zu halten und die Grundschritte des Salsa zu erlernen. Die gebürtige Bosnien-Herzegowinerin ist eine der Teilnehmerinnen der Latin Dance Gruppe, die jeden Dienstag im FEM Süd stattfindet.
Vor drei Jahren entdeckte sie eine Broschüre des Gesundheitszentrums für Frauen, Eltern und Mädchen (FEM) und fühlte sich sofort angesprochen. Das Zentrum richtet sich an sozial benachteiligte Frauen, etwa Alleinerzieherinnen, vor allem aber Migrantinnen.
Fehlende Bestätigung
Als Pasic vor sechs Jahren mit ihrem Mann nach Österreich kam, begann sie unter gesundheitlichen Problemen zu leiden. Daheim in Sarajevo war sie als Russisch-Lehrerin angesehen, in Österreich durfte sie nicht arbeiten. Ihr fehlten Freunde und Familie, berufliche Anerkennung und eine Perspektive, zunehmend zog sie sich zurück. Schließlich begann ihr Körper darunter zu leiden.
Die Wende brachte ein Besuch bei FEM-Süd – mit einem Vortrag über gesunde Ernährung. Dann machte sie Yoga, Wirbelsäulengymnastik und heuer entschied sie sich für die Tanzgruppe. „Wenn ich sehe, dass andere Frauen, egal ob Türkinnen, Österreicherinnen, Polinnen, ähnliche Probleme wie ich haben“, sagt die 46-Jährige, „und sich bemühen diese Probleme zu lösen, dann gebe ich nicht auf, dann mache ich mit.“
Das FEM Süd, das 1999 im Kaiser Franz Josef-Spital eingerichtet wurde, hat ein breites Spektrum: Ernährungsfragen, Hilfe in der Schwangerschaft und psychologische Beratung für alle Lebensbereiche. Dazu kommen Bewegungskurse wie Nordic Walking, Wirbelsäulentraining sowie Pilates.
„Unsere Angebote sind besonders kostengünstig“, sagt Kathleen Löschke, stellvertretende Leiterin vom FEM Süd, „denn unsere Klientinnen sollen auf keine Barrieren stoßen“. Dazu gehört auch das Angebot muttersprachlicher Beratung. Duska Pasic wusste dies zu schätzen: „In einer fremden Sprache kann man Gefühle nicht wirklich ausdrücken. Durch die Beratung in der Muttersprache fühlte ich mich gut aufgehoben und wurde viel stärker motiviert“.
2007 wurden vom FEM-Süd mehr als 300 Vorträge über Gesundheit – von Zahnhygiene bis Depression – in zwölf verschiedenen Sprachen, darunter auch solche in Arabisch, abgehalten. Von 45.000 Frauen und Mädchen, die das FEM Süd vergangenes Jahr kontaktiert haben, sind etwa die Hälfte Migrantinnen.
„Ich ging in Vereine, Lokale, Kirchen und Moscheen, um das Thema Gesundheit bewusster zu machen“, sagt Slavica Blagojevic. Mit Erfolg: Die Pädagogin und Sozialarbeiterin konnte bei vielen Frauen das Bewusstsein für den eigenen Körper wecken. Und das, obwohl es schwierig sei, ihr Vertrauen zu gewinnen. Besonders bei Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien komme es vermehrt zu Depressionsfällen – ausgelöst durch die Ereignisse des Jugoslawien-Krieges.
Bei FEM Süd versucht man, diesen Frauen durch muttersprachliche psychologische Beratung zu helfen. Natalija Popovic-Szlachcikowski ist die einzige Gesundheitspsychologin bei FEM Süd, die Bosnisch, Kroatisch und Serbisch spricht: „Zu mir kommen pro Jahr etwa 70 Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien“, sagt sie. Der Bedarf sei viel größer, „aber leider gibt es zu wenig Förderung“. Dabei ist es für die Frauen ohnehin schon eine Überwindung, überhaupt nach Hilfe zu suchen – denn seelische Probleme gelten in ihrem Umfeld häufig noch als tabu.
Gemeinsam ist man nicht allein
Besonders häufig sind sozial benachteiligte Frauen auch von Übergewicht betroffen. In der Aktion „Gesund abnehmen“ bieten Ernährungs- und Sportwissenschaftler sowie Psychologen Lösungen an.
Doch so wichtig die Maßnahmen des Zentrums sind – oft hilft schon das Gefühl, mit seinen Problemen nicht allein dazustehen: „Als ich zu FEM kam und dort Frauen aus vielen Ländern traf“, meint Duska Pasic, „war es für mich schon der halbe Weg zur Lösung meines Problems. “ (JOSIPA CRNOJA, Die Presse, 26.3.2011)