Der Semmering als Ausflugsziel für fromme Juden

20.07.2011 | 10:14 | Ida Labudovic

Seit Jahrzehnten sind die Hotels am Wiener Hausberg Ausflugsziel frommer Juden. Das Panhans hat sich sogar darauf spezialisiert. Schon immer war der Semmering eines der beliebtesten Ausflugsziele.

Der Semmering war für uns Juden quasi der Hausberg, jener Berg, auf den man die Kinder im Winter zum Skifahren gebracht hat und wo man im Sommer spazieren und wandern gegangen ist“, sagt Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, der oft mit seiner Familie am Semmering seine Freizeit verbringt. Schon immer war der berühmte Kurort eines der beliebtesten Ausflugsziele für die Wiener Juden. Aber nicht nur sie, sondern auch israelische Touristen, die vom Veranstalter „Gil Tours“ seit fünf Jahren jeden Sommer auf den Semmering gebracht werden, genießen die klare Bergluft und die landschaftliche Schönheit des Zauberbergs.

Ungefähr 100 streng religiöse Juden, die im Sommer drei Wochen im Hotel Panhans verbringen, schätzen die Nähe zu Wien und Schloss Schönbrunn. Aber auch zu verschiedenen anderen Ausflugszielen, wie dem Grab und Denkmal des Rabbiners Chatam Sofer in Bratislava, einem führenden orthodoxen Rabbiner des 19. Jahrhunderts.

„Es war sehr praktisch, dass man einen so nahe bei Wien liegenden Berg hat. Dort gab es auch eine Skischule, wo alle meine Kinder das Skifahren gelernt haben“, erinnert sich Eisenberg. „Früher sind wir am Sonntagmorgen raus gefahren und am Abend wieder nach Wien zurückgekommen.“ Das Mittagessen hat man oft in der Pension Alexander eingenommen.

 

Juden blieben der Region treu

Die ausgezeichnete Lage des Luftkurortes hat den Besitzer eines koscheren Restaurants in Wien, Josef Vorhand, in den 1950er-Jahren dazu bewogen, eine koschere Küche in einer Pension am Semmering zu betreiben. Die nach streng religiösen Speisevorschriften lebenden Juden „waren in den Ferienmonaten unsere Gäste in den etwa 20 Zimmern“, erinnert sich heute sein Sohn, Milan Vorhand. Geht man vom Panhans auf der Hochstraße in Richtung Südbahn Hotel, so findet man noch heute das Haus Nummer 87, das seit fast 20 Jahren leer steht.

In den 1950er-Jahren waren die Hotels Panhans und Südbahn große Attraktionen, die in den 1960er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nach und nach stillgelegt wurden. Grund: Mit den aufkommenden Fernreisen wurde der Nahtourismus immer unattraktiver. Aber die Juden blieben dem Semmering treu. Auch Gottesdienste wurden dort abgehalten, wenn zumindest zehn Männer versammelt waren. „Man hat sich sogar bemüht, einige Leute mit dem Auto auf den Semmering zu bringen, um den Minjan (eine Gruppe von mindest zehn mündigen Juden) voll zu machen“, sagt Oberrabbiner Eisenberg.

Das Panhans wurde in den 1980er-Jahren revitalisiert – womit auch das Interesse am Semmering stieg. Die Vermietung des ganzen Hotels (oder Teilen davon) macht es möglich, dass die Küche vollkommen koscher betrieben werden kann. „Vollkommen koscher heißt, dass dort ein Rabbiner mit einem Maschgiach die Aufsicht hat und alles überwachen kann“, so Eisenberg. Um das Wohlergehen der jüdischen Gäste im Panhans werden sich diesen Sommer Rabbiner Wolff aus Amsterdam gemeinsam mit einem Gourmetkoch und einem Bäcker bemühen.

(Ida Labudovic, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.07.2011)


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