Dirndl und Lederhose: Zeichen der Integration?

HINTERGRUND
  • Migration und Tracht. Rapper Ösi Bua wurde 1989 in Burundi als Cedrick Mugiraneza geboren. Aus politischen Gründen flohen seine Eltern mit ihm nach Österreich. Hier sorgte er 2011 mit dem Video zu seinem Lied „I bin da Ösi Bua“, in dem er in Lederhosen auftritt und in Mundart rappt, für Aufsehen. Seither wird diskutiert, ob das Tragen österreichischer Tracht etwas über den Grad der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund aussagt.

03.07.2012 | 18:31 | Ilona Antal

Trachten. Migranten, die traditionell-österreichische Kleidung tragen – nur eine Inszenierung, um Aufmerksamkeit zu gewinnen? Ein Zeichen des Respekts für die österreichische Kultur? Oder einfach nur Provokation?

Wien. „Wo ich spiele, kommen die Leute in Lederhosen“, sagt Cedrick Mugiraneza. So wie er selbst auch. Unter dem Namen „Ösi Bua“ sorgte der 22-Jährige für Aufsehen, sein Musikvideo „I bin da Ösi Bua“ wurde zum Hit auf YouTube. Wobei die Lederhose nur ein Teil des Phänomens ist. Der zweite ist der, dass er ursprünglich aus Burundi stammt – im Alter von neun Jahren ist er mit seinen Eltern aus seiner alten Heimat geflohen. Und die Kombination aus schwarzer Hautfarbe und österreichischer Tracht sorgte in der Öffentlichkeit für erhöhte Aufmerksamkeit.

„Ich fühle mich wohl in der Lederhose“, sagt Mugiraneza, der in Linz aufgewachsen ist. Und nein, die rustikale Bekleidung sei nicht einfach nur ein PR-Gag. Er sieht darin einen Beitrag zur Modernisierung der Kultur. Er sei stolz, Österreicher zu sein – und zeige das auch gern mit seiner traditionellen Kleidung. Viele Jugendliche halten das für schräg, doch ihn störe das nicht. „In meiner Musik geht es vor allem um Spaß“, sagt er.

Setzen auf den Exotikeffekt

Die Kombination von Migration und österreichischer Tracht scheint jedenfalls zu funktionieren. Ösi Bua wurde über Nacht zum Star. „Mit dem Tragen einer Tracht kann man sicherlich die Aufmerksamkeit kurz auf sich ziehen, egal, ob man eingewandert ist oder nicht“, sagt Migrationsforscher August Gächter. Eine integrative Funktion stecke jedoch nicht unbedingt dahinter – denn eine österreichisch wirkende Tracht hätte mehr oder minder denselben Exotikeffekt wie eine beliebige andere.

Gerade in der Kunst- und Musikszene gehören Inszenierungen und ungewohnte Auftritte zum Geschäft. Doch abseits dieser Szenen sind Migranten in Tracht selten. Abgesehen davon, sagt Migrationsforscher Gächter, könne man keinesfalls vom Tragen einer Tracht auf den Grad der Integration eines Menschen schließen.

Zsofia Homolya sieht das anders. Die gebürtige Ungarin ist Gründerin des Vereins „Österreichisch-Ungarische Gesellschaft“ und meint, dass man aus Respekt gegenüber den Österreichern auch österreichische Trachten tragen sollte. Es sei nicht unüblich, dass sich in Österreich lebende Ungarn zu ihrer neuen Heimat bekennen, indem sie zu bestimmten Anlässen im Dirndl oder in Lederhosen erscheinen. „Von den Migranten, die die österreichische Staatsbürgerschaft übernommen haben, wird das auch erwartet“, meint Homolya, denn schließlich wäre man seiner neuen Heimat zu so etwas verpflichtet.

Identität und Popkultur

Eine solche Verpflichtung sehen die Mitglieder der Linzer Hip-Hop-Band Hinterland nicht – auch sie sind in ihrem Video „Voixmusik“ in Lederhosen gestiegen. „Es hat zum Videokonzept gepasst, Lederhosen zu tragen“, meint Bandmitglied MC Akinyemi. Eine bewusste Verbindung heimatlicher Identität mit Popkultur sei das aber nicht gewesen. Eher das Spiel mit der bäuerlichen Identität. Doch wegen des Videos wurde der gebürtige Linzer, dessen Eltern aus Nigeria stammen, schon öfter auf die Parallelen zum Ösi Bua angesprochen.

Der Versuch, mit dem Tragen einer Tracht die Verbindung zu Österreich zu symbolisieren, kann allerdings auch negativ aufgefasst werden. So sah sich etwa Alev Korun, türkischstämmige Nationalratsabgeordnete der Grünen, mit heftiger Kritik konfrontiert, als sie 2009 in einer Sitzung des Nationalrats im Dirndl erschien. „Leider wird es nicht immer als positiv bewertet, wenn Migranten plötzlich Dirndl oder Lederhosen tragen“, sagt Psychologin Aglaja Przyborski von der Sigmund-Freud-Universität in Wien. „Es gibt konservative Gruppierungen, denen die Tracht im Sinne des Ausdrucks von Tradition und Kulturgut unglaublich wichtig ist, wo man sich auch gemäß den Veranstaltungen kleiden muss.“ Dementsprechend würden diese Gruppen bei Migranten das Tragen einer Tracht als eine Art von Provokation auffassen – auch, wenn das der Träger niemals im Sinn gehabt hat.

Yves Mulume Chikuru kümmert das nicht. Der im Kongo geborene österreichische Schlagersänger trägt seine Lederhosen „nur zu bestimmten Anlässen, bei denen alle in Trachten erscheinen“, erzählt er. Dabei gehe es ihm vor allem um den Ausdruck seiner Musik. Zu seinen Konzertauftritten, bei denen er österreichische Volksmusik singt, würde die Lederhose „einfach gut passen“, meint er. Mittlerweile singt Chikuru jedoch eher afrikanische Volkslieder – und trägt dabei auch afrikanische Trachten. Doch nach wie vor ist es seine freie Entscheidung, wann er überhaupt Trachten trägt, denn „bei heißen Temperaturen“, fügt er lachend hinzu, lässt er seine Lederhosen lieber zu Hause.

Auf Englisch angesprochen

Eine Tracht sagt im Grunde nicht viel darüber aus, wie sehr jemand in Österreich verwurzelt ist. Sie kann Mittel zum Zweck sein, der Inszenierung dienen oder auch einfach praktische Gründe haben. Und sie kann offensichtlich bestimmte Vorstellungen so und so nicht zurückdrängen: Dass etwa Menschen mit schwarzer Hautfarbe – bewusst oder unbewusst – nicht zugestanden wird, Österreicher zu sein. Ein Beispiel dafür ist der Vorfall, bei dem der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter den Fußballer David Alaba auf Englisch angesprochen hat. Und auch Rapper MC Akinyemi hat schon einen solchen Vorfall erlebt: Nach einem Auftritt redete ein Besucher auf Englisch mit ihm. Und das, obwohl er vorher eine Stunde lang in Mundart gerappt hatte.


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