JBBZ: Bildung und Ausbildung für jüdische Migranten

Jüdische Berufliche Bildungszentrum
Das JBBZ wurde 1998 gegründet. Das AMS trägt die Hauptkosten, die Gemeinde Wien finanziert 50 Prozent der Lehrlingsausbildung. Alle Ausbildungen schließen mit national und international anerkannten Zertifikaten ab. www.jbbz.at

31.03.2010 | 19:00 | Ida Labudovic

Das Jüdische Berufliche Bildungszentrum bringt vor allem osteuropäischen Einwanderern jüdischen Glaubens Deutsch bei, bildet sie für den Arbeitsmarkt aus – und vernachlässigt dabei nicht die jüdische Kultur.

Es ist Mittag im Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum (JBBZ). Während der Pause ist die Kantine voll. Auf dem Speiseplan stehen Kartoffelcremesuppe und Weichselstrudel – alles koscher zubereitet, versteht sich. Im JBBZ wird nach dem jüdischen Speisegesetz gegessen und Milch- von Fleischprodukten streng getrennt. Am Freitag wird gar nicht gekocht, die jüdischen Feiertage werden strikt eingehalten.

Eine kleine Gruppe – allesamt säkulare Juden – sitzt beim Essen, nur eine Frau unter ihnen passt nicht recht ins Bild. Liliach trägt ihren braunen „Scheitel“, eine bei orthodoxen verheirateten Frauen verwendete Perücke. Ursprünglich stammt sie aus einer kleineren Stadt in Israel – mittlerweile lebt sie in Wien. Anfangs hatte sie große Schwierigkeiten, sich zu verständigen, doch seit sie das JBBZ besucht, hat sich ihr Deutsch verbessert: „Dadurch bin ich selbstständig und kann die Wege im Alltag selbst finden“, sagt sie.

„Die Menschen müssen sich in ihrer Umgebung sicher fühlen und ohne Angst leben können“, sagt Ilan Knapp. „Erst dann“, meint der ehrenamtliche Leiter des JBBZ, „machen wir unsere Fenster auf, das Wissen geht hinein und so kann man auch lernen.“

 

„Keine Angst haben“

Jugendliche wie erwachsene Migranten sind mit verschiedenen Problemen konfrontiert: Orientierungslosigkeit, Entwurzelung und Vereinsamung. Die Ausbildung im JBBZ zielt darauf ab, den Schülern zu helfen, ihr eigenes Selbstvertrauen zu finden und auch das Selbstbewusstsein zu vermitteln, ihre Wünsche und Bedürfnisse auszusprechen: „Auch keine Angst zu haben, an jüdischen Feiertagen die ihnen zustehenden freien Tage beim Arbeitgeber einzufordern“, meint Knapp. Erst dadurch kann ein Klima geschaffen werden, in dem sie sich wohlfühlen.

Begonnen hat alles Anfang der Achtzigerjahre mit jüdischen Migranten aus der damaligen UdSSR, die wegen gelockerter Ausreisebestimmungen nach Österreich kamen und versuchten, sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Das größte Problem dieser Zuwanderer war, dass sie nicht Deutsch sprechen konnten. Als erste Maßnahme hielt man mithilfe des Arbeitsmarktservice (AMS) Sprachkurse ab – in einem kleinen Zimmer, das provisorisch als Lehrzimmer eingerichtet wurde.

Diese Maßnahme half vielen dabei, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. „Nach diesem Erfolg“, erzählt Knapp, „hat das AMS vorgeschlagen, dass wir eine Einrichtung daraus machen.“ So entstand schließlich das Projekt JBBZ, das sein Angebot bald über Sprachkurse hinaus ausweitete – mit Berufsausbildungen. Mittlerweile hat die Einrichtung auch schon ein fixes Zuhause: Im Winter 1998 wurde das vom AMS und der Gemeinde Wien geförderte JBBZ in Wien-Brigittenau offiziell eröffnet.

„Kein Platz für Mittelmäßigkeit“

Die Schüler des JBBZ werden nach dem „Best-of-Class“-Prinzip bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt. Das heißt: „Jeder muss das Beste aus sich herausholen. Mittelmäßigkeit hat hier keinen Platz“, erklärt Knapp. Denn damit käme man nachher nicht weit. Und tatsächlich: Diese Qualitätsstandards haben eine direkte Auswirkung auf die erfolgreichen Abschlüsse bei den Lehrabschlussprüfungen an der Wirtschaftskammer.

Die Zielgruppe des JBBZ sind Personen jüdischen Glaubens ab 14 Jahren bis ins hohe Alter. In der Lehrausbildung gibt es zusätzlich auch einige wenige Plätze für Nichtjuden. Berufsausbildungen gibt es in zwei Fachbereichen – Büro (Bürokaufmann, Buchhändler, Bankkaufmann) und Technik (Informationstechnologe, Orthopädietechniker). Im Jahr 2003 ist auch eine polytechnische Schule eröffnet worden. Neben dem fachlichen Wissen ist aber vor allem die Vermittlung der sozialen Kompetenz entscheidend.

Eine weitere Aufgabe sieht das JBBZ darin, den Schülern den österreichischen Kulturkreis näherzubringen und Grundzüge einer politischen Bildung zu vermitteln. „Es ist nicht nur wichtig zu wissen, was man auf dem Arbeitsplatz tun muss, sondern auch, wie man sich dort und in der Gesellschaft verhalten soll. Die Leute sollen lernen, das zu befolgen, ohne Identität zu verlieren – das ist unser Anliegen“, sagt Edgar Weiland, Bereichsleiter für Sprachen, Integration und Soziale Kompetenz.

Unternehmerisches Denken

Das unternehmerische Denken zu fördern ist eines der Grundprinzipien in der Ausbildung. Das JBBZ unterstützt dabei all jene, die sich selbstständig machen wollen – insbesondere streng religiöse Juden, die manchmal Schwierigkeiten haben, sich auf dem Arbeitsplatz zu integrieren.

Bisher haben mehr als 3400 Jugendliche und Erwachsene einen Lehrgang am JBBZ absolviert. Offiziell gibt es 183 Ausbildungsplätze, tatsächlich hat das JBBZ derzeit 264 Kunden. Lyudmila und Kateryna zum Beispiel. Sie kommen aus der Ukraine, leben schon einige Jahre in Wien und sind sehr zufrieden: „Das JBBZ hat uns neue Perspektiven eröffnet und uns die Möglichkeit gegeben, mit den Menschen hier auf Deutsch zu kommunizieren.“

Im Judentum wird das Wissen sehr hochgehalten, Lernen wird als ein Teil der Religion gesehen. „Lernen hat uns Juden immer geholfen weiterzukommen“, sagt Knapp, „egal wo wir waren.“ Schon in biblischen Zeiten war Josef, Sohn des Stammvaters der Israeliten, der erste Minister in Ägypten. „Und“, so JBBZ-Leiter Knapp, „er hat sein Judentum trotzdem nicht vergessen.“

(IDA LABUDOVIC, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.03.2010)


ein Kommentar

  • Nikos Pogonatos

    Das JBBZ ist eine hervorragende Institution, die nicht nur ein hoches Niveau hat, aber auch sehr menschlich ist.Alle Mitarbeitern, die Führung sind freundlich, hilfsbereit. Alle Achtung! Ich wünsche, dass es weiterhin sich ergolgreich weiter entwickeln kann in diese Richtung! Mag.Nikos Pogonatos Wien Geschrieben um 14. Juli 2014 um 14:36 Uhr Antworten

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