Plakataktion thematisiert 50 Jahre Anwerbeabkommen Österreich – Türkei

Hintergrund und Mehr Plakate

20.05.2014 | 12:13 | Daniela Karina Krenn

Am 15. Mai 1964 wurde das Anwerbeabkommen zwischen Österreich und der Türkei unterzeichnet. Es regelte die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte und deren Beschäftigung in Österreich und trat am 23. Juli 1964 in Kraft. 50 Jahre später versucht ein Projekt der Initiative Minderheiten mit einer Plakataktion aus verschiedenen Perspektiven, an die damalige Situation zu erinnern.

Kommen, ja. Bleiben, nur für kurze Zeit. So haben sich Wirtschaftskammerpräsident Julius Raab und der Vorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbunds Franz Olah das gedacht, als sie 1961 beschlossen,Arbeitsmigranten aus Spanien, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich einzuladen. Arbeitskräfte wurden dringend benötigt, nicht nur in Österreich, auch in Deutschland und der Schweiz. Ein regelrechter Wettstreit entstand, für welches Land sich die Arbeitskräfte aus dem Ausland entschieden. Am 15. Mai 1964 unterschrieben Raab und Olah den Vertrag mit der Türkei. Sie rechneten mit “Gästen”, also junge, kräftige Männer, die am Bau und bei der Ernte helfen, und dann nach getaner Arbeit wieder abreisen. Gegebenenfalls würden sie durch neue Gastarbeiter ersetzt.

Etwas deutschsprachig, aber nicht Bedingung

Viele von den Arbeitsmigranten, die vor 50 Jahren nach Österreich kamen, sind aber geblieben. Sie holten auch ihre Frauen und Kinder nach. Die Plakataktion “50 Jahre Anwerbeabkommen” soll nun daran erinnern, dass sie vor 50 Jahren aktiv nach Österreich geholt wurden. Initiert wurde das Projekt von Vida Bakondy und Gamze Ongan für die Initiative Minderheiten. Sie haben viel Wert darauf gelegt, äußert viele Perspektiven der damaligen Situation auf den Plakaten wieder zu spiegeln. So kommen neben Zeitungsschlagzeilen, Anforderungsprofilen auch Auszüge aus Briefen der Arbeitsmigranten vor.

“Brauchen derzeit äußerst dringend 30 Hilfsarbeiterinnen. Ledig, gesund und flink, Eignung für Akkordarbeit. Etwas deutschsprachig, aber nicht Bedingung.”, steht auf einem der Plakate. Es ist ein ehemaliges Anforderungsprofil einer österreichischen Firma aus den 1960ern. Oder: “Wien bevorzugt Türken! Die ersten Fremdarbeitertransporte kommen Anfang April”, steht auf einem anderen Plakat. Es ist eine Schlagzeile aus “Die Presse” vom 15. März 1963. Auf einem weiteren Plakat wird ein Beschwerdebrief eines Gastarbeiters an das Arbeitsamt Istanbul abgedruckt: “Ich bin doch solcher Verhältnisse nicht würdig. Schickt mich bitte in die Schweiz oder nach Deutschland.”

Arbeiter wurden Österreich in diesen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs dringend gebraucht. Auch die Türkei hatte Gründe für die Arbeiterabwanderung: eine hohe Wachstumsrate und hohe Arbeitslosigkeit. Die Medien in Österreich berichteten damals nur sporadisch über die neuen Arbeiter, auch eine öffentliche Diskussion fand kaum statt. “Unser Projekt ist ein Versuch, die Anfänge der Geschichte der Arbeitsmigration in Plakaten aufleben zu lassen. Im Gegensatz zu heute wurde in den 1960er Jahren nicht regelmäßig öffentlich über „die Türken“ geredet und gemutmaßt.”, schreiben Bakony und Ongan auf der Webseite der Plakataktion. 

Schämt sich Österreich 50 Jahre nach dem Anwerbe Abkommen?

“Ob Türken oder Jugoslawen, die Gastarbeiter haben dieses Land aufgebaut. Das muss man feiern! Das ist ja die Geschichte von Österreich.”, steht auf einem weiteren Plakat. Kamil B. hat das in einem Interview 2012 gesagt. 1963 kam er als Gastarbeiter nach Österreich. 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Raab-Olah-Anwerbeabkommens wird in Österreich aber nicht wirklich gefeiert. Hier und da finden ein paar kleinere Veranstaltungen statt. Aber kein Staatsakt. Keine koordinierte Jubiläumsfeier. Auch das war ein ausschlaggebender Grund die Plakataktion der Initiative Minderheiten ins Leben zu rufen.

50 Jahre nach dem Abkommen, welches bis heute weder von Österreich noch von der Türkei offiziell annulliert worden ist, leben laut Statistik Austria 183.000 Menschen in Österreich, deren Eltern oder Großeltern in der Türkei geboren wurden. Fühlen sie sich willkommen in Österreich? Vielleicht gibt es dann nämlich wirklich keinen Grund zu feiern.


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Daniela Karina Krenn