Porträt: Ein Türke im Einsatz für Homosexuelle

HIN­TER­GRUND:
  • Teil 6 der 16-tei­li­gen Por­t­rät­se­rie „Meine Hände gegen Gewalt".
  • In Koope­ra­tion mit White Rib­bon Öster­reich, dem Ver­ein von Män­nern zur Prä­ven­tion von männ­li­cher Gewalt, hat M-MEDIA am 25.11.2012 (Beginn der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen) eine Por­t­rät­se­rie  gestar­tet, in der wöchent­lich Por­träts von Män­nern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, die moderne Männ­lich­kei­ten leben und Por­träts von migran­ti­schen Ver­ei­nen, die Bei­träge und Zugän­gen zu Gleich­be­rech­ti­gung und Gewalt­prä­ven­tion leis­ten,ver­öf­fent­licht wer­den.
  • Die Koope­ra­tion wird vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit, Sozia­les und Kon­su­men­ten­schutz geför­dert
 
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15.01.2013 | 10:27 | Ilona Antal

Yavuz Kurtulmus hat 2009 den Verein MiGaY gegründet, der homosexuelle MigrantInnen betreut und Auflärungsarbeit leistet. Teil 6 der 16-teiligen Porträtserie “Meine Hände gegen Gewalt”.

Vor einiger Zeit wollte Yavuz Kurtulmus mit einigen serbischen Freunden ein Wiener Lokal betreten, doch sie wurden nicht hineingelassen. Der Türsteher wies sie mit der beleidigenden Begründung zurück: „Ihr dürft hier nicht rein. Ihr seht wie Sexarbeiter aus.“ Es sind Geschehenisse wie diese, die zeigen, dass das Engagement des homosexuellen Türken notwendig ist. Der gelernte Bürokaufmann, der 12 Jahre lang seinen Beruf erfolgreich auslebte, gründete 2004 nach seinem Besuch des ersten Kongresses für türkischstämmige Homosexuelle in Berlin, den Verein LGBT. 2009 gründete er schließlich den Verein MiGaY. Einen Verein zur Integration und Förderung von homosexuellen MigrantInnen. Mehr als 20 Mitglieder beraten und helfen Lesben und Schwulen mit Migrationshintergrund in 63 verschieden Sprachen.

2012 hat MiGaY die ersten „queeren migrantischen Filmtage“ gestartet – mit großem Erfolg. Bei freiem Eintritt war der Kinosaal täglich überfüllt. Ein wichtiges Signal für die Arbeit von Kurtulmus, der sich der Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung für diese Themen verschrieben hat. In Österreich gehöre nach wie vor „viel mehr Aufklärungsarbeit gemacht“. Diesbezüglich sei „Österreich da noch in Kinderschuhen“, sagt Kurtulmus. Es sei wichtigt mit der Aufklärung schon in der Schule zu anzufangen.

 

Pornografische Fotos für das türkische Heer

Yavuz Kurtulmus wird auch gerne Jimmy genannt. Das liegt schlichtweg daran, dass es für viele einfacher zu merken ist. Der in Mazedonien geborene Türke kam mit seiner Familie vor 25 Jahren nach Österreich. Die österreichische Staatsbürgerschaft hat Kurtulmus aber nicht. Das bedeutet für ihn, dass er eines Tages den türkischen Wehrdienst ableisten muss. Das macht dem Vereinsgründer schwer zu schaffen. Denn Gewalt lehnt Kurtulmus grundsätzlich ab. Doch der türkischen Armee entkommt nur, wer krank oder behindert ist. Auch Homosexualität ist in der Türkei ein Grund um als „untauglich“ eingestuft zu werden, doch die Beweise, die vorgelegt werden müssen, gleichen einer Schikane. Die Homosexualität zu beweisen ist ein erniedrigender Prozess für die betroffenen Männer. Die Bekennung zur Sexualität reicht noch lange nicht aus. Es muss ein Beweisfoto mitgeführt werden, das zwei Männer dabei zeigt, wie der „Untaugliche“ während des analen Geschlechtsaktes mit einem anderen Mann den passiven Part einnimmt. Das Gesicht muss zudem erkennbar sein. Dem will sich Kurtulmus nicht aussetzen müssen.

Österreich ein verschlafenes Land

Dergleichen spielt sich in Österreich nicht ab, aber Verbesserungsbedarf ortet der Vereinsobmann allerdings genügend. So möchte er dieses Jahr etwa alle Lokale und Vereine, die aus rassistischen und homophoben Gründen Menschen ausgeschlossen und zurückgewiesen haben, öffentlich machen. Die Ablehnung richtet sich nicht nur gegen Männer. Auch Frauen leiden stark unter diesen Diskrimierungen, sagt Kurtulmus. Er hat auch schon die Erfahrung gemacht, dass Lokale nicht zulassen, dass er Flyer oder das MiGaY-Magazin, das zwei Mal jährlich erscheint, auflegt.

„Egal, welche rechtlichen Maßnahmen in der Politik getroffen werden, die Gesellschaft muss sich ändern.“ Der junge Mann hat ein großes Herz. Er begleitet Bedürftige bei Behördenwegen und berät Schüler bei der Aids-Hilfe Wien oder nimmt auch mal bedürftige Menschen bei sich zu Hause auf. „Ich kann da schwer wegsehen“, erzählt der 32 Jährige.
„Wir müssen in den Köpfen der Menschen etwas ändern, sonst ändert sich garnichts“, meint Kurtulmus, der Österreich in der Hinsicht als ein „verschlafenes Land“ sieht. Neben der Ehe und dem Recht zu Adoptieren bleibt homosexuellen Menschen nach wie vor auch das Blutspenden verwehrt.


3 Kommentare

  • Stephan Kraut

    Ich fände es interessant zu wissen wie Herr Kurtulmus mit türkischen Landsleuten umgeht, weil diese zwar aus einer an sich nicht homophoben Kultur kommen, dann aber ähnlich wie andere Südländer in eine Kultur des Machogetue hineinwachsen und dann homophobe Züge entwickeln. Wie kann man anzapfen, bevor Homophobie Bestandteil ihrer sozialen Selbst wird? Da ist die Arbeit von Experten wie Herrn Kurtulmus gefragt und ich wünsche ihm dafür nur Gutes. Geschrieben um 6. März 2013 um 23:15 Uhr Antworten
  • engin

    Finde ich super! Yavuz kenne ich seit vielen Jahren, MiGaY ist der Nachfolger des Vereins ViennaMix das wegen gieriger Menschen und böser Zungen auseinander gegangen ist. Ich wünsche ihm und seinem Mann Muhamed, der mit Yavuz MiGaY gemeinsam gegründet hat, sehr viel Glück und vor allem Beständigkeit bei ihrem Kampf - denn auch in der Szene sind "Fremdenfeindlichkeit" und "Hass" keine Fremdwörter, und auch bei einem kleinen MigrantInnenverein braucht es viel Arbeit, um nicht an sich selbst zu zerfallen. Geschrieben um 24. Januar 2013 um 07:13 Uhr Antworten
  • jonas weinmann

    der jimmy ist ein ganz ein cooler typ... freut mich dass er auch hier gezeigt wird! hut ab! Geschrieben um 15. Januar 2013 um 11:06 Uhr Antworten

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