Rassismus in den öffentlichen Raum Bekämpfen: Die Black Austrian Communities

03.06.2015 | 11:00 | simon INOU

Zwischen 2005 und 2012 entstanden zahlreiche erfolgreiche Interventionen der Black Austrians in die gängige Bildpolitik: die Kommunikationskampagne „Black Austria“, die Plakatserien „Arbeiten gegen Rassismus“ und „Für eine Sprache ohne Rassismus“ in Wien und Graz, „MeinJulius“ gegen den „Meinl-M*“ und nicht zu- letzt „NoMohr“ gegen das Logo von M* Bräu in Vorarlberg. Eine Zusammenfassung.

Von Dezember 2006 bis Jänner 2007 lief in Österreich die Kommunikationskampagne www.blackaustria.at zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Schwarzen Menschen. Organisiert war die Kampagne von M-MEDIA und AFRA[1]: Nicht nur wir, sondern auch viele ÖsterreicherInnen hatten es satt, immer nur die verzerrten Nachrichten und Bilder über Schwarze Menschen in diesem Land zu konsumieren.

In fünf Anzeigen und drei Plakat-Sujets wurden Schwarze Menschen – keine Models –, die in Österreich leben und als Radio-Moderatorin, Musiker, Filmemacher, Tagesmutter und Studentin tätig sind, porträtiert und in Kontrast zu bestehenden Vorurteile gesetzt.

Egal, ob diese Schwarzen Menschen aus Afrika, Europa, Nordamerika oder Lateinamerika stammen, wir waren und sind bis heute stets mit zwei Vorurteilen konfrontiert: auf der einen Seite mit dem Vorurteil des Kriminellen oder der Prostituierten, auf der anderen Seite mit dem des „Opfers“ – von Rassismus, von Ausbeutung, Krieg und Diktatur. Und dieses zweite Vorurteil macht aus uns jene, denen ewig zu helfen sein wird, die nicht wirklich mündige Menschen sein können.

Das Projekt „Black Austria“ brach mit diesen gängigen Klischees. Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs hatten Schwarze Menschen schlicht auf Plakaten für sich geworben, für ihr Da-Sein. Nicht für irgendein Produkt oder als Spendenköder für Entwicklungshilfe. Die Kampagne löste ein ungeheures Medieninteresse aus, das von sehr positiv bis sehr negativ ausfiel.

„Leiberltausch. Damit Schwarze Menschen in Österreich ein Leiberl haben!“

Eine ähnliche Kampagne lief auch im Jahre 2008 unter dem Motto „Leiberltausch. Damit Schwarze Menschen in Österreich ein Leiberl haben!“. Das Black Austria-Team lud prominente Österreicher und Österreicherinnen wie Herbert Prohaska, Dodo Roscic, Roland Düringer, Willi Resetarits und Kristina Sprenger ein, T-Shirts mit gängigen Vorurteilen  gegenüber Schwarzen Menschen zu tragen. Auf den T-Shirts wurden klassische Vorverurteilungen wie Drogendealer, Sozialschmarotzer, Scheinasylant und Taschendieb transportiert. Wir zeigten damit: Ein Vorurteil überstülpt zu bekommen ist so einfach wie ein T-Shirt anzuziehen.

Es war also Zeit für einen „Leiberltausch“ als Zeichen der Verbundenheit. Wer ein „Black Austria“-T-Shirt trug, zeigte einerseits öffentlich auf, dass jeder ganz leicht Opfer von Vorverurteilungen werden kann. Und demonstrierte andererseits Solidarität mit all jenen, die täglich Repressalien ausgesetzt sind. „Black Austria“ bleibt bis heute die größte und erfolgreichste Kampagne ihrer Art in Österreich.

In den Jahren 2005 und 2007 entstanden aus der Kooperation des Künstlerinnenkollektivs Klub Zwei mit der Schwarze-Frauen-Community und AFRA weitere Plakatserien in Wien und Graz. Im Juli 2015 waren an Litfaßsäulen, City-Light-Vitrinen und Plakatwänden in Haltestellenbereichen entlang der Wiener Straßenbahnlinie D verschiedene Plakatsujets mit antirassistischen Forderungen von Schwarzen Frauen zu sehen. Zwei Jahre danach folgte eine weitere Intervention in Graz: Unter dem Titel „Für eine Sprache ohne Rassismus“ waren auf Transparenten, einer Straßen- bahn und einer Postkarten-Serie drei Statements zu lesen: „Ich kann sagen Afroösterreicherin. Es gibt Namen, die selbstbestimmt sind“, „Ich kann sagen Schöckel im Hemd. Es gibt Begriffe, die antirassistisch sind“ und „Ich kann sagen Josefine-Soliman-Straße. Es gibt Utopien, die ermächtigend sind“.

MeinJulius und die öffentliche Kritik am „Meinl-M*“

Da Unternehmen nur Botschaften verstehen, die ihre Bilder in der Öffentlichkeit in Frage stellen, beschlossen wir, uns mit zwei Firmenlogos auseinanderzusetzen. Bis 2007 wollte die Firma Julius Meinl auf ihr Firmenemblem aus den Kolonialzeiten nicht verzichten – den gesichtslosen „Mohren“ mit gesenktem Haupt. Während der Dreharbeiten von „Here to Stay. Rassismus in Wien“ von Markus Wailand schlug ich vor, ein Widerstandslogo für Ju- lius Meinl zu entwerfen, das dann von Carlos Toledo umgesetzt wurde. Das im Jahre 1924 entworfene rassistische Logo von Julius Meinl wurde durch Mein Julius ersetzt. An Stelle des „M*“ tritt eine schwarze Hand, die die rote Kopfbedeckung zusammendrückt. Unsere Botschaft war die folgende: Mein Julius hat keine Lust mehr auf ein dienstbotenartig gesenktes Haupt. Er geht, wann er will. Und wohin er will. Wenn er nicht will, bleibt er. Sein Leben ist kein Schicksal, und er nimmt es selbst in die Hand. Wie die Bilder, die in der Öffentlichkeit von ihm existieren.

Rassistische Klischees haben im öffentlichen Raum nichts verloren, egal, ob es dabei um verhetzende Beschmierungen auf Hauswänden oder um das „traditionsreiche“ Logo einer Kolonialwarenhandlung geht.

Die Verbreitung des neuen Logos in Mainstream-Medien und die da- durch entstandenen Schwierigkeiten für die Firma Meinl trugen dazu bei, dass das rassistische Logo verändert wurde. Auch vor der Luxus- Filiale von Julius Meinl am Graben, wo wir während der Dreharbeiten demonstrierten, ist das alte Logo durch ein neues, goldenes ersetzt worden. An dieser Stelle sollte auch erwähnt werden, dass das rassistische Logo der Firma Meinl in den USA aus Angst vor der Reaktion der Afro-AmerikanerInnen nicht in Verwendung war.

NOMOHR und der Widerstand der Vorarlberger Brauerei

Enorm wulstige Lippen – auch Schlauchbootlippen genannt – krauses Haar, affenartige Gesichtszüge, markante Nase: Das sind stereotypische Charakteristika von Schwarzen, wie sie in Vorarlberg tagtäglich im öffentlichen Raum verbreitet werden. Seit 83 Jahren hat die M*Bräu-Brauerei VorarlbergerInnen durch die Verbreitung von Rassismus in Geiselhaft genommen. Das bekannte Logo dieses Unternehmens findet sich nicht nur auf der Bierflasche, sondern auch auf verschiedenen Merchandising- Produkten wie T-Shirts oder Jacken, Flaschenöffnern, Aschenbechern, MP3-Playern, Regenschirmen, Rucksäcken, Bierkrügen, Modellautos, LKW’s, Marmeladegläsern, Blumenvasen, u.v.m.

Das Logo von M* Bräu wird seit Jahrzehnten so massiv und selbst- verständlich verbreitet, dass viele ÖsterreicherInnen, insbesondere die VorarlbergerInnen, auf die rassistische Stereotypisierung gar nicht aufmerksam werden. Das Logo ist „Tradition“ und ist darüber hinaus sogar positiv besetzt. Es ist sogar von manchen schwarzen Menschen bereits verinnerlicht worden.

Susan Arndt, deutsche Anglistik- und Afrikawissenschaftlerin mit Schwerpunkt Literatur und Herausgeberin des Referenzwerkes „Wie Rassismus aus Wörtern spricht“[2], erklärt: „›M.‹ ist die älteste deutsche Bezeichnung, mit der Weiße Schwarze Menschen als anders konstruiert haben. Der Begriff wurde aus anderen europäischen Kontexten übersetzt und geht etymologisch zurück auf das griechische moros, das ›töricht‹, ›einfältig‹, ›dumm‹ und auch ›gottlos‹ bedeutet.“

Warum benutzt eine Brauerei ein Logo voller Klischees über Schwarze Menschen, obwohl der Besitzer

– Josef Mohr – keiner war? Wieso modernisiert diese Firma ihr Logo nicht? Das waren die Fragen, die uns motiviert haben, ein anderes Logo zu entwerfen.

In diesem Sinne nahm ich Kontakt mit dem Künstler und Designer Mara Niang auf, und gemeinsam entwickelten wir das Logo NO- MOHR. Diese postkoloniale und anti-rassistische Kritik wurde von Mainstream- und Nicht-Main- stream-Medien thematisiert und heftig diskutiert. Die Firma M* Bräu zeigte sich zuerst gesprächsbereit, später jedoch nicht mehr. Eine Kampagne wurde auf Facebook in- itiiert. Der Kampf geht weiter.

Im Laufe dieser Kritik der Bildpolitik in unserer Gesellschaft haben wir immer wieder von einem Argument gehört: Das war schon immer so und es soll immer so bleiben. Also das Argument der Tradition. Im Übrigen bin ich derselben Meinung wie Gustav Mahler: „Tradition ist die Bewahrung des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“

 

* Artikel zuerst erschienen in „Stimme, Zeitschrift der Initiative Minderheiten“ Nr. 94, Frühling 2015  (pdf)

 


[1] International Center for Black Women’s Perspectives

[2] Susan Arndt / Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nach- schlagewerk. Münster 2011.

 


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