Betrügen und reich werden: Eine Geschichte aus Nigeria

ÜBER DAS BUCH
  • Adaobi Tricia Nwaubani
  • Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy.
  • Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2011.
  • Übersetzung: Karen Nölle.ISBN: 978-3-423-24861-7
  • www.dtv.de 

24.08.2011 | 10:46 | Elisabeth Ndokwu

Rezension. Realitätsnah: Adaobi Nwaubanis Debütroman.

[WIEN] „Junger, bestens ausgebilde- ter Chemiker sucht Vollzeitstelle.“ Ein Abschluss in Chemie sollte in einem Erdöl exportierenden Land ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Der junge Ingenieur Kingsley möchte arbeiten und eine Familie gründen. Seine Träume verlieren sich aber in Absagen, das Konzept „Bildung als Garantie für ein gutes Leben“ schwimmt in der dünnen Suppe, die seine Mutter serviert, geradezu davon.

Die nigerianische Autorin Adaobi Tricia Nwaubani zeichnet mit ihrem Roman „Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy“ ein realistisches Bild von der Arbeitswelt in Nigeria. Kingsley wächst in einer liebevollen Familie auf, in der die Eltern den Wert der Bildung an ihre Kinder weitergeben. Zertifikate kann man nicht essen, und so beschließt Kingsley, der nach dem Tod seines Vaters zum Familienoberhaupt wird, bei seinem Onkel Boniface zu arbeiten.

Trotz seiner schulischen Defizite ist Boniface reich geworden, daher der Name „Cash Daddy“. Kingsley steigt schnell in seinem Unternehmen auf. Er wird ein 419, wie in Nigeria die Betrüger genannt werden: In Paragraf 419 des Strafgesetzes wird der Vorschussbetrug abgehandelt. Kingsley verdient sein Geld mit originellen Mails, in denen Provisionen ver- sprochen werden und die im Westen zu seinem Erstaunen immer noch funktionieren.

Das rasante Erzähltempo der Autorin spiegelt die Welt der weni- gen Reichen in Nigeria wider. Im Roman wird die landeseigene Kultur des Debattierens ausführlich dargestellt. Die sprachlichen Nuancen der unterschiedlichen Milieus sind von Karen Nölle genial übersetzt. Der Roman wurde 2010 mit dem Commonwealth Writers’ Prize für den besten afrikanischen Debütroman ausgezeichnet.

Nach der Lektüre bleibt die Frage, ob wir arbeiten, um zu le- ben, oder leben, um zu arbeiten, zwar offen, aber Adaobi Nwaubani arbeitet hoffentlich schon an ih- rem nächsten Roman.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 24.08.2011)


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