Diagonale 2014: Von Kurzdokus, Interviews und Weltpremieren, Tag 2

22.03.2014 | 15:31 | Tamara Tanasijevic

Tag 2 in Graz hätte nicht besser beginnen können. Von morgendlichen Frühlingssonnenstrahlen geweckt, nahm ich mein Frühstück draußen in einem netten Café mit Ausblick auf die Mur ein. Gestärkt und wohlgenährt startete ich in den Festivaltag, der viel versprach und meinen Erwartungen mehr als gerecht wurde.

Gegen 10.30h fand ich mich zum zweiten Mal vorm Schubertkino ein.Ausgestattet mit Festivalpass und einer Flasche Makava (Grazer Exportschlager Nummer 1, zumindest für meine Begriffe), setzte ich mich in die Vorstellung „Vom Leben Lieben Lernen – 20 Jahre später“ der Filmemacher Manfred Neuwirth und Walter Hiller. Die Dokumentation ist eine Neuauflage der Produktion von 1993, in der fünf Männer und Frauen über ihre Erfahrungen mit AIDS berichten. 20 Jahre später bat man die vier Überlebenden nochmals zum Interview, um rückblickend vor der Kamera über ihren Umgang mit der Krankheit zu reflektieren. Die spontanen Antworten der ProtagonistInnen werden ungeschnitten und kommentarlos wiedergegeben, so dass ein natürlicher Erzählfluss entsteht. Im anschließenden Gespräch bezeichnet Manfred Neuwirth dieses ästhetische Element als „Atem eines Gedankens“ – die wichtigste Qualität des Films. Laut den Akteuren handelt es sich um eine Thematik, die heutzutage in Vergessenheit zu geraten scheint und wieder mehr ins Bewusstsein der jüngeren Generationen geholt werden muss. Denn über AIDS zu schweigen ist absolut unzeitgemäß.

Nach diesen anregenden Eindrücken hatte ich etwas Freizeit über und nutzte den Moment, um meine Gedanken zu ordnen und Vorbereitungen zu treffen. Am Nachmittag war ich mit Clara Trischler (wie bereits berichtet) und Christine Moderbacher zu einem Interview verabredet. Den Kontakt zu Christine bekam ich über Cana Bilir-Meier, die bereits im Interview am Vortag von ihr schwärmte. Ich wurde neugierig und als ich gestern Abend Cana vorm UCI Annenhof begegnete, wurde ich Christine gleich vorgestellt. Wir vereinbarten ein Treffen um 18h.

Doch erstmals sollte ich Clara interviewen. Clara Trischler, Regisseurin des Kurzbeitrags „Das  erste Meer“, wurde am Vormittag mit dem Thomas Pluch Drehbuchpreis ausgezeichnet (an dieser Stelle gratulieren wir nochmal ganz herzlich!). Die preisgekrönte junge Filmemacherin erlebte ich als eine sympathische Persönlichkeit in einem wunderbar farbenfrohen skandinavischen Kleid, das ihr frohes Gemüt fabelhaft unterstrich. Ich erfuhr von ihrer Zeit in Israel und den Beweggründen, die den Dreh der Kurzdoku veranlassten. Wir hatten beide dringend einen Kaffee nötig, den wir nach dem Interview dann gemeinsam plaudernd genossen.

Nach einem schnellen Snack war ich bereits mit Christine Moderbacher verabredet. In „Lettre à Mohamed“ bewertet die Wahlbelgierin in Form eines filmischen Briefs die Lage in Tunesien nach dem Arabischen Frühling. Sie zeichnet ein Porträt einer Bevölkerung, die zwar still steht, aber auf Besserung hofft. Christine erzählte mir von ihrem persönlichen Bezug zu Tunesien, der großen emotionalen Wert hat. Nach dem wunderbar ehrlichen Gespräch war ich auf ihren Beitrag besonders gespannt und musste mich zum Glück nicht lange gedulden. Um 18.30h wurden nämlich schon im Rahmen des „Kurzdokumentarfilm: Programm 1“ die Arbeiten von Cana und Christine gezeigt.

Leider konnte ich nach der Präsentation nicht lange bleiben, da mich mein letzter Programmpunkt gleich im Anschluss im KIZ Royal erwartete. Abschließen sollte ich das Filmfestival mit der Produktion des iranisch-stämmigen Regisseurs Houchang Allahyari –
Der letzte Tanz“. Mein absoluter Favorit der Diagonale 2014! Obwohl die Geschichte Parallelen zu „Sarah und Sarah“ von Peter Kern aufweist, welcher ebenfalls die Beziehung zwischen einer eindeutig älteren Dame und einem jungen Mann thematisiert, ist Allahyaris Werk handfester und erfrischend realitätsnah. Der Film ist in zwei Abschnitte geteilt. Zum einem wird in Schwarz-Weiß die Kriminalgeschichte rund um den Sexualdelikt aufgearbeitet, zum anderen erlebt das Publikum die Hintergründe und die Annäherung zwischen Julia Eckert, Patientin auf der geriatrischen Abteilung, und Karl Streiner, Zivildiener, in Farbe. Die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten wird sehr feinfühlig und humorvoll aufgebaut, so dass der Geschlechtsakt am Ende auf den Zuseher nicht so schockierend wirkt  Allahyari bricht mit diesem gesellschaftlichen Tabu, indem er auf nachvollziehbare Art und Weise von tiefen Gefühlen zwischen zwei Menschen erzählt. Das starke Ensemble rund um Erni Mangold und Daniel Strässer hat mich besonders beeindruckt. Beim Filmgespräch hat man sich von der einnehmenden Persönlichkeit der Erni Mangold final mitreißen lassen und wunderbar amüsiert.

Bevor ich mich von Graz verabschiedete, traf ich meine liebe Kollegin Sarah auf ein Feierabend Bier im Kunsthaus, in dem es vor ausgelassenen und gut gestimmten Diagonale Gästen nur so wimmelte. Die Atmosphäre war fantastisch, das Kunsthaus erleuchtete in seiner gesamten Pracht. Ein wunderbares Bild von der Stadt um Abschied zu nehmen. Ich bedanke mich für die tolle Zeit und bin mir sicher, dass mich Graz nicht zum letzten Mal gesehen hat.


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