Filmkritik: „Die Freischwimmerin“ will nicht ohne Burkini schwimmen

07.06.2014 | 12:52 | Nermin Ismail

Die deutsch-österreichische Fernsehproduktion „Die Freischwimmerin“ erzählt von der jungen, passionierten Schwimmerin IIayda, die sich weigert für einen Wettbewerb ihren Burkini gegen einen Badeanzug einzutauschen. An dieser Einstellung wird Ilaydas Integrationswille gemessen. Unsere Redakteurin Nermin Ismail stellt in ihrer Filmrezension die Frage „Warum sind Diversität und Integration nicht vereinbar?“.

„Wenn du nicht kommst, haben alle umsonst trainiert“, sagt die junge Lehrerin ihrer Schülerin. Sie will sie ja nicht überreden, sondern ihr nur klarmachen: „Es ist doch ganz egal ob du in dem Ding oder im Badeanzug schwimmst.“ Das muss die Schülerin verstehen und sie soll sich gefälligst anpassen, nicht so stur sein. Ilayda Demirel will im Burkini (Gankörperbadeanzug) schwimmen. „Ich mache das nicht. Ich schwimme nicht im Badeanzug vor all den Leuten und all den Kameras“, sagt sie überzeugt.

Gerade eben, kurz vor dem Schwimmen erfährt sie, dass es doch nicht möglich ist im Burkini zu schwimmen. Sie steht vor der Entscheidung, entweder schwimmt sie im Badeanzug oder sie macht gar nicht beim Rennen mit. Wenn sie hartnäckig bleibt und darauf besteht in der Kleidung zu schwimmen, in der sie schwimmen will, ist ihr ganzes Team disqualifiziert. Ilayda scheint entschlossen zu sein, ihre Lehrerin gibt auf, überlässt ihr die Entscheidung und geht raus, um zu verkünden: Ilayda macht nicht mit. „Scheiße“, klagt ihr Team-Kollege erzürnt. Alle scheinen enttäuscht zu sein: „Nur wegen ihr können wir alle nicht mitmachen“, müssten sie sich gedacht haben. Und plötzlich setzt die fröhliche Musik ein, Ilayda erscheint unerwartet – im Badeanzug. Alle sind glücklich und zufrieden, nur sie scheint es nicht zu sein. Ilayda hat sich angepasst.

Anpassen angesagt

Was ist nun die Aussage aus dieser zentralen Stelle im Film? Ilayda wollte sich dem Druck nicht beugen und ihren Werten treu bleiben, aber sie tat es doch. Die Lehrerin und der Direktor versuchten mit dem für den Wettbewerbs- Zuständigen zu sprechen, der jedoch will keine Ausnahme machen: „Die Burschen schwimmen in Shorts, die Mädchen in Badeanzügen. Aus.“ Schließlich macht er das hier seit zehn Jahren und es habe nie Probleme gegeben. Es gibt nun mal Spielregeln, will er klarmachen. Passt du dich nicht an und zeigst mehr von deinem Körper, als dir lieb ist, bist du disqualifiziert. Doch sind das die Spielregeln eines Zusammenlebens in Diversität? Martha, die engagierte Lehrerin, erklärt sie habe mit der Sekretärin gesprochen und diese meinte, Ilayda dürfe im Burkini schwimmen.

Doch vergeblich, der Typ lässt sich nicht darauf ein, schaltet auf stur, steht verärgert auf und geht. Der Einsatz der Lehrerin und des Direktors sind wertvoll, schließlich geht es um ihre Schülerin, doch der ist nicht von Dauer. Schnell geben sie auf und der Druck wandert zur Schülerin über. Ich frage mich hier, hätte die Lehrerin diese Sekretärin nicht anrufen können? Hätte der Direktor nicht mehr machen können, als zu sagen das sei diskriminierend und dann machtlos daneben zu stehen. „Warum sollen wir eine Ausnahme machen, soll die Schülerin sich doch anpassen“, müsste er sich gedacht haben.

Bitte mitschwimmen

Außerdem warum hat Ilaydas Team kein Interesse an ihrem Wohlgefühl und interessiert sich tatsächlich nur für das Gewinnen. In diesem Moment zählte nichts anderes als das Mitmachen. Ilayda passt sich an, um mitzuschwimmen. „Sie ist ein Schwan, der sich selbst zum hässlichen Entlein gemacht hat.“ Das schreibt Elmar Krekeler in „Die Welt“ über Ilayda. In der Filmbeschreibung steht, sie hätte sich ihre Ausgrenzung selbst gewählt. Warum? Entscheidet sie sich für ein selbstbestimmtes Leben, entscheidet sie sich für das Kopftuch, so ist sie automatisch ausgegrenzt. Und daran wäre nur sie Schuld, denn sie wählt es selbst aus. Nein sie wurde nicht gezwungen oder unterdrückt, sie selbst will es so. In diesem Fall ist es die Schule, die zur Quelle des Drucks wird und sie dazu zwingt etwas zu machen, was sie nicht machen will. Ein Schwan, der sich selbst zum hässlichen Entlein gemacht hat, so wird sie beschrieben.

Dass ein Mädchen sich für eine bestimmte Lebensform entscheidet, die anscheinend nicht gefällt, wird nicht akzeptiert, denn sie grenzt sich selbst damit aus. Aber zu akzeptieren, dass dieses Mädchen sich so kleiden will, das will keiner, obwohl auch der Lehrerin bewusst ist, dass ein Burkini genauso zum Schwimmen geeignet ist wie ein Badeanzug. Wie dem auch sei: Von ihr wird erwartet mitzumachen, mitzuschwimmen und ja nicht anders zu sein. Will sie anders sein, will sie im Burkini schwimmen, kann sie nicht dazu gehören, wird sie nicht zugelassen, grenzt sie sich aus und bleibt ein hässliches Entlein. Sie ist die Freischwimmerin, weil sie sich äußerlich von ihrer Kleidung befreit, innerlich jedoch sich dem Druck der anderen ergibt und sich fremdbestimmen lässt. Die Gesellschaft entscheidet also darüber wer frei ist und wer nicht. Ilayda zieht sich aus, um nicht ausgeschlossen zu werden, wider Willen. Und das ist die Botschaft des Filmes der gelungenen Integration: Ihr habt euch anzupassen. Ihr habt mitzuschwimmen.

Kein Platz für Vielfalt

Besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund geraten in ihrem Prozess der Identitätsfindung ins Schwimmen. Verheerend finde ich, dass hier öffentlich-rechtliche Sender ihren Bildungsauftrag grob missachten. Es wird vermittelt, dass es für Vielfalt keinen Platz gibt, wer mitschwimmen will, muss seine eigenen Werte komplett ablegen und im wahrsten Sinne des Wortes mitschwimmen. Ob das Mädchen will oder nicht, sie muss der Burkini ablegen, um mitschwimmen zu dürfen, um sich erst recht nicht auszugrenzen. Ilayda ist eine engagierte Jugendliche und ein Symbol vieler Jugendliche in Österreich, die durch Leistung partizipieren wollen. In diesem Film wird aber klar gezeigt, dass sie sich assimilieren muss, denn sonst bleibt ihr jede Anerkennung verwehrt.


ein Kommentar

  • Gülfide

    Ich konnte leider den Film mir nicht ansehen, obwohl er auf meiner Liste gestanden hat. Ich bin fast eine 40jährige Frau, die mit türkischen Wurzeln in Österreich geboren ist. Bin seit meinem 8. Lebensjahr blind, und somit zwischen Österreichern im Internat aufgewachsen. Ich habe bist ca. zu meinem 32. Lebensjahr meine Identität nicht deffinieren können. Man wird auf allen ebenen ausgegrenzt und man gehört letztendlich nirgends ganz dazu. Um mich in meinem Leben zu recht finden zu können, mußte ich mich assimilieren. Jedoch gibt es Anteile in einem Menschen, die dürsten nach den Wurzeln. Immer mehr erfahre ich, welcher Rassismus und welche Intolleranz auf diesem Planeten im Vormarsch ist. Das mache ich auf kein Land und auf keine Religion fest. Das liegt leider daran, dass viele Menschen einer sehr niedrigen Bewußtseinsebene angehören. Manchmal muß man strategisch mit im Strom schwimmen, ohne seinen Glaubensvorsätzen untreu zu werden. Manchmal muß man die Kraft aufbringen und gegen den strom schwimmen, um Menschen wach zu rütteln. Als ich die Beschreibung gelesen habe, dachte ich mir: "Hier wird gezeigt, wie hilflos das Mädchen ist, aber sie will ihr Team nicht im Stich lassen, nur weil die "einflußreichen Positionen" zu schwach sind." Somit ist sie für mich in diesem Augenblick die Gewinnerin im menschlichen Sinne. Verlierer die ganzen rückgradlosen "Autoritäten", die eigentlich alles schwache Schafe sind. Somit liegt wieder einmal alles im Auge des Betrachters. Geschrieben um 11. Juni 2014 um 17:28 Uhr Antworten

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