Hitlers städtebauliche Pläne für Wien

ZUM BUCH: 
  • Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann
  • Ingrid Holzschuh
  • 2011, 122 S.
  • 66 s/w-Abb.
  • 24 x 17 cm
  • Preis: € 29.90
  • 978-3-205-78719-8
  • Das Buch im Böhlau Verlag

09.07.2012 | 14:46 | Andrea Heider

Eine neue Innere Stadt mit Gauforum, Nordbahnhof und „Baldur-von-Schirach-Insel“ sowie eine „Nordstadt“ als auch eine „Südstadt“ sollten nach den städtebaulichen Plänen der Nationalsozialisten in Wien entstehen.

Die Kunsthistorikerin Ingrid Holzschuh dokumentiert in der Publikation „Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann“ die nationalsozialistischen Neugestaltungspläne für Wien. 1940 wurde der deutsche Architekt Hanns Dustmann zum Baureferent von Wien berufen. Er lieferte unterschiedliche Pläne zur Neugestaltung der Stadt, bei denen es sich zwar um „Schubladenpläne“ handelt, deren Aufarbeiten jedoch eine Lücke der Wiener Architekturgeschichte schließt.

Die neue Innere Stadt mit Gauforum und Nordbahnhof wurde rund um den Augarten in der Leopoldstadt geplant, die sogenannte „Baldur-von-Schirach-Insel“ umfasste das Gebiet zwischen der heutigen Neuen und Alten Donau, die „Nordstadt“ jenes nördlich und die „Südstadt“ jenes südlich der Donau. Den Plänen zur Folge, sollten die nationalsozialistischen Stadtquartiere primär auf den Gebieten des 2. und 20. Wiener Gemeindebezirks entstehen. Der alte Baubestand sollte größtenteils zum Abbruch kommen.

Gauhauptstadt Wien ohne „wurzelloses Fremdvolk“

1938 lebten etwa 50.000 Juden in der Leopoldstadt. Nach dem Anschluss erklärte die NSDAP Teile des 2. Bezirks zum Ghetto, in das Juden aus allen Wiener Bezirken zwangsweise eingewiesen wurden. 1942 begannen Massendeportationen in Sammel- und Vernichtungslager. Die Zerstörung der jüdischen Bausubstanz und die darauffolgende Überbauung des Gebiets war folglich kein Zufall, sondern Kalkül. Auch der allgemeine stadtplanerische Tenor lässt selbiges vermuten: „ […] dieser Stadtteil [enthält] nichts Erhaltenswertes. Es handelt sich um eine traditionslose hässliche Steinfläche mit öden Gassen, die großenteils von wurzellosem Fremdvolk bewohnt werden“, so der Geograf Hugo Hassinger, in seinem „Vorschlag zur Planung des Wiener Donaugeländes (2., 20. Bezirk und Teile des 21. Bezirks) im Rahmen der Gesamtgestaltung des Wiener Verkehrsnetzes“ aus dem Jahr 1938. Bei diesen Plänen handelte es sich folglich nicht nur um städtebauliche Visionen der Nationalsozialisten, sondern auch um von Antisemitismus geprägte Ideologie.

Die nationalsozialistische Stadt

Die „neue“ Stadt, die auf dem Gebiet der Leopoldstadt entstehen sollte sah die Schaffung eines repräsentativen Stadtteils mit Gauforum, weitläufiger Aufmarschstraße, Parteizentrum sowie Nordbahnhof vor. Monumentale Machtbauten mit repräsentativer Funktion, breitangelegte Aufmarschstraßen und in sich geschlossene Plätze sind nur einige Charakteristika nationalsozialistischer Stadtplanung. Den letzten Plänen Dunstmanns zur Folge sollte unter anderem eine ca. 95 Meter breite und 1,5 Kilometer lange Monumentalstraße vom Donaukanal bis zur Donau führen. Quer dazu sollte eine Forumsanlage mit streng gegliedertem innerem Platz als Herzstück des neuen Stadtteiles entstehen. Ein von der Altstadt abgekoppelter Stadtraum als inszenierter Raum war für die neuen Bauten der Partei angedacht. Sowohl Nord- als auch Südstadt wurden als aufgelockerte Wohngebiete geplant.

Obwohl auch mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Planungs- und Bauaktivitäten in den Gauhauptstädten nicht eingestellt wurden, kam es zumindest in Wien niemals zur Realisierung dieser Monumente faschistischer Macht. 1943 wurde der Bau aller nicht kriegswichtigen Bauten eingestellt, somit nahm die nationalsozialistische Stadtplanung ihr jähes Ende. Dustmann war bis zu seinem Tode 1979 als Architekt tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er unter anderem mit dem Wiederaufbau Düsseldorfs beauftragt.

 


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