Klassisches Ballett: Müssen Schwäne immer weiß sein?

10.09.2012 | 17:00 | Marlies Kastenhofer

Nach Berichten der britischen Zeitung Guardian und der New York Times werden Schwarze Balletttänzer weltweit starker Diskriminierung ausgesetzt. Dies betrifft nicht nur Jobchancen, sondern auch Rollenbesetzung und Bekleidung.

Während in britischen nationalen Ballettensembles die Zahl der Schwarzen Tänzer meistens nur um die 4 Prozent beträgt, stellt das russische Bolshoi Ballett überhaupt keine dunkelhäutigen Menschen an. Diese geringe Zahl ist auch für die Tänzer selbst frustrierend. Carlos Acosta ist erster Gastsolist des „Royal Ballet“ und einer der weltweit erfolgreichsten schwarzen Tänzer. Er meint, es bestehe weitgehend die Mentalität, dass eine Schwarze Ballerina inmitten weißer Schwäne die Harmonie stören würde. Nach einem Bericht des australischen Online-Mediums „artshub“ meinten viele, dass die Ästhetik des Balletts von der Homogenität der Tänzer abhänge. Diese werde durch Schwarze Tänzer zerstört.

Aesha Ash, langjährige Ballerina, sieht die Vorlieben konservativer Sponsoren als Ursache für die Unterrepräsentation. Diese würden alles so beibehalten wollen, wie es schon immer war und an alten Traditionen festhalten. Neben rassistischen Faktoren, spielten aber auch ökonomische Gründe eine Rolle. Leigh Witchell, Administrator eines Ballettforums, meint zu „artshub“, dass der Mangel an Schwarzen Tänzern die ökonomische Benachteiligung Schwarzer in vielen Ländern wiederspiegle. Eine Ballettausbildung sei für Personen, die nicht der oberen Mittelschicht entspringen, einfach zu teuer.

Jobquoten und pinke Strumphosen

Um die vorherrschenden Stereotype zu bekämpfen gründete Cassa Pancho in London „Ballet Black“, eine Ballettschule für Schwarze und asiatische Tänzer. Sie befürchtet laut Guardian, dass sich der Mangel an schwarzen Balletttänzern bis in die nächste Generation hineinziehen könnte. Viele der Tänzer fühlten sich einsam und Fehl am Platz und würden oft in die Musicalbranche wechseln. Auch Ash berichtet von dem Gefühl nicht dazuzugehören. Vor allem als junges Mädchen quälten sie Selbstzweifel, da sie nicht so aussah wie ihre Kolleginnen. Pancho berichtet von Vorurteilen, wie dass „Schwarze Frauen  große Hintern und ungeeignete Füße für den Spitzentanz hätten“ oder überhaupt dass „Schwarze kein Ballett betreiben wollten.“

Laut Christopher McDaniel, Balletttänzer im „Los Angeles Ballet“, würden viele Ensembles zwar dunkelhäutige Tänzer aufnehmen, die meisten allerdings nur eine geringe Anzahl. Er ist der Überzeugung, dass sich die meisten Unternehmen an inoffizielle Jobquoten hielten. „Ich hatte das Gefühl, dass manche Unternehmen ein oder zwei Schwarze Tänzer angestellt haben, um in der Öffentlichkeit besser dazustehen“, berichtet er dem Guardian. Vor allem in traditionellen Ensembles hätten Schwarze Tänzer geringe Jobchancen. McDaniel meint außerdem, dass viele Schwarze Männer nur in voll verkleideten oder sehr aggressiven Rollen tanzen dürften. Auch Ash hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Schwarze Frauen würden oft als grob, pompös und aggressiv dargestellt werden. Sie fänden sich nur selten in demütigen, bescheidenen und unschuldigen Rollen.

Mit weiteren Hindernissen würden die Tänzer laut Guardian auch in Sachen Bekleidung konfrontiert werden. Ballettschuhe, Perücken und Strumpfhosen würden alle nur für Tänzer mit heller Haut verkauft werden. Dunkelhäutige Tänzer müssten sich ihre Schuhe selber mit Schuhcreme einfärben.

Frivoler Eskapismus

Auch Alastair Macaulay von der New York Time meint, dass die Zeit im Ballett stehen geblieben sei. Nur selten finde man in der Kunst noch andere Bereiche, in denen beispielsweise Muslime beim Beten selbstverständlich ins Lächerliche gezogen würden. Tänzer mit verschiedensten kulturellen Hintergründen hätten schon lange Spitzenleistungen erbracht. Dennoch entstehe der Eindruck, dass Ballett eine Kunstform der Weißen sei, in der färbige Tänzer nur als Gäste erwünscht wären. Eskapismus sei zwar ein Teil von Ballett. Jedoch wirke dieser Eskapismus mittlerweile „unverschämt frivol“.



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