Entscheidung des Presserats: „Schwarze Frau schlägt weißes Kind“ Zeichnung im Falter
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06.05.2015 | 9:50 | REDAKTION
Über simon INOU, den Gründer von M-MEDIA wurde diese Woche in der Wochenzeitung Falter 18/15 berichtet (siehe Bild unten).
Herr INOU betreibt keine Kampagne gegen den Falter – wie der anonymisierten Artikel behauptet – und hat niemals die Wochenzeitung als „rassistische Zeitung“ bezeichnet, sondern Zeichnungen die in der Zeitung zwischen November und Dezember 2014 erschienen sind als rassistisch bezeichnet. Da gibt es einen grossen Unterschied. (Siehe Bild)
In der print Ausgabe des Falters habe es nicht genug Platz gegeben. Allerdings eine richtige Zusammenfassung des Falters wäre für dieses Qualitätsblatt wünschenswert gewesen.
Hier publizieren wir in extenso die Entscheidung des Presserates. Herr INOU ist mit dieser Entscheidung nicht glücklich aber im Sinne der Wahrheit sollte die Leserschaft korrekt informiert sein:
—– PRESSERAT—-
2015/022
Senat 2
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats unterworfen.
HINWEIS
Der Senat 2 hat durch seine Vorsitzende Mag. Andrea Komar und seine Mitglieder Dkfm. Milan Frühbauer, Eva Gogala, Arno Miller, Hans Rauscher und Erich Schönauer in seiner Sitzung am 07.04.2015 in einem selbständigen Verfahren gemäß § 17 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdesenate des Presserats gegen die Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, als Medieninhaberin des „Falter“ wie folgt entschieden:
Die Zeichnung zu dem Artikel „Die Gewalt der Hand“ (Siehe Titelbild), erschienen auf Seite 14 der Ausgabe 48/14 des „Falter“, ist ein geringfügiger Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung).
BEGRÜNDUNG
In dem oben genannten Artikel geht es um das Thema Gewalt in der Kindererziehung. Dem Artikel ist eine Zeichnung beigefügt, die eine schwarze Frau zeigt, die ein weißes Kind schlägt.
Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass die Darstellung einer schwarzen Frau, die ein weißes Kind schlage, diskriminierend sei. Dass eine Frau mit schwarzer Hautfarbe gemeint sei, lasse sich auch anhand ihrer „exotischen Frisur“ erkennen.
Die betroffene Medieninhaberin wies den Vorwurf der Diskriminierung entschieden zurück. Die Zeichnerin stelle immer wieder Menschen mit schwarzen Gesichtern dar. Dies sei nicht rassistisch, sondern ein Stilmittel. Darüber hinaus wäre die Zeichnung selbst dann nicht rassistisch, wenn sie tatsächlich eine schwarze Frau darstellte, da auch Schwarze nicht davor gefeit seien, ein Kind zu schlagen. Zudem müsse man den Kontext der Zeichnung berücksichtigen: Der Artikel, zu dem die Zeichnung erschienen sei, wende sich ganz klar gegen Gewalt, und es werde darin auch nicht behauptet, dass Gewalt etwas mit der ethnischen oder regionalen Herkunft zu tun habe. Der Falter verstehe sich als antirassistisches Blatt, die Zeichnerin habe auf Facebook und Twitter klargestellt, dass die Zeichnung nicht rassistisch sei und der Herausgeber habe dies auch in einem Leitartikel zu der Zeichnung zum Ausdruck gebracht.
Der Chefredakteur des „Falter“ hat in der Verhandlung ergänzend festgehalten, dass es sich hier um eine Karikatur handle, bei der die Meinungsfreiheit besonders weit reiche. Es sollte lediglich eine „dunkle Gestalt“, vor der sich das Kind fürchte, überspitzt dargestellt werden.
Der Senat hält zunächst fest, dass im vorliegenden Fall neben der Meinungsfreiheit, die selbstverständlich auch Bildveröffentlichungen umfasst, die Freiheit der Kunst zu berücksichtigen ist.
Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei der Zeichnung allerdings nicht um eine Karikatur oder satirische Darstellung, sondern bloß um eine Illustration zu dem Artikel. Der Umstand, dass bei satirischen Veröffentlichungen die Meinungsfreiheit besonders weit reicht, fällt daher nicht weiter ins Gewicht.
Es mag zwar sein, dass die Zeichnerin häufig schwarze Personen zeichnet. Dieser Umstand ist jedoch von untergeordneter Bedeutung, da dies den meisten Leserinnen und Lesern wohl nicht bekannt ist.
Der Senat merkt auch noch an, dass in den vom Falter vorgelegten weiteren Zeichnungen der Künstlerin alle Personen schwarz gezeichnet sind. In der Zeichnung, über die die Mitteilung an den Presserat gemacht wurde, ist jedoch nur die Person, die die Gewalt ausübt, schwarz dargestellt – das Kind, das das Opfer der Gewalt ist, hingegen weiß.
Der Senat geht davon aus, dass es weder die Absicht der Künstlerin noch die der Redaktion des Falters war, schwarze Menschen durch die Veröffentlichung der Zeichnung zu diskreditieren. Die Senatsmitglieder wissen, dass die Blattlinie des Falters antirassistisch ist und die Journalistinnen und Journalisten des Falters regelmäßig rassistische Vorfälle aufdecken. Von einer gezielten oder bewussten Diskriminierung kann daher nicht die Rede sein.
Dennoch ist der Senat der Meinung, dass diese Zeichnung – obwohl nicht so intendiert – missverständlich ist. Der Senat kann nachvollziehen, dass sie von manchen Leserinnen und Lesern als diskriminierend gegenüber schwarzen Menschen empfunden wird. Die Redaktion hätte mehr darauf achten müssen, wie die Leserinnen und Leser die Zeichnung (miss)verstehen und was sie damit assoziieren könnten.
Der klare antirassistische Hintergrund des Falters spricht grundsätzlich nicht dagegen, dass auch im Falter eine Veröffentlichung einen gewissen diskriminierenden Gehalt aufweisen und missglücken kann.
Der Senat ist der Meinung, dass die Zeichnung zu dem Artikel unglücklich ausgewählt wurde. Er empfiehlt der Redaktion des Falters, bei der Auswahl von Illustrationen in Zukunft sensibler vorzugehen.
Der Senat empfindet es als positiv, dass die Redaktion des Falters in einen Dialog mit den Kritikern der Zeichnung eingetreten ist. Aus der Sicht des Senats wäre es jedoch wünschenswert gewesen, wenn der Falter dabei auch ein wenig auf die unglückliche Bildauswahl eingegangen wäre.
Unter Abwägung der angeführten Faktoren stellt der Senat eine geringfügige Verletzung des Ehrenkodex iSd. § 20 Abs. 2 lit. b VerfO fest und spricht einen Hinweis aus. Für die Geringfügigkeit war vor allem der Umstand ausschlaggebend, dass die Redaktion des Falters nicht in böser Absicht gehandelt hat.
Österreichischer Presserat Senat 2
Vors. Mag. Andrea Komar 07.04.2015