ORF: Herber Rückschlag für Migranten droht

26.11.2008 | 11:21 | REDAKTION

„Heimat, fremde Heimat“ soll aus Kostengründen seltener ausgestrahlt werden.

WIEN. Pünktlich zum Ende des Jahres 2008, dem EU-Jahr des interkulturellen Dialogs, wollen hartnäckige Gerüchte nicht verstummen: Die Sendung „Heimat, fremde Heimat“ werde bald einer Reduktion zum Opfer fallen. Entweder wird alle zwei Wochen gesendet, oder nur einmal im Monat.

Es hört sich fast so an, als ob mit dem Ende des Dialog-Jahres die Relevanz des interkulturellen Dialogs zu Ende geht. Von den großen Plänen des ORF, Migration und Integration verstärkt anzusprechen, würde nicht mehr viel bleiben.

Die Sendung selbst bildet seit fast 20 Jahren einen wichtigen Bestandteil der österreichischen Medienlandschaft, ist in ihrer Form einzigartig und hat seit Bestehen einen „interkulturellen Dialog“ betrieben: Gestaltet und präsentiert wird von Migranten selbst – das Publikum besteht allerdings nicht nur aus Migranten.

Noch wichtiger: „Heimat, fremde Heimat“ ist auch ein wichtiger Eckpfeiler für Nachwuchsjournalisten mit Migrationshintergrund. „Redaktionen multikulturalisieren“, nennt das der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell von der Universität Wien, „vor allem, da der Zugang zum Beruf Journalismus und Medien für Migranten recht schwierig ist.“ Eine Reduktion oder gar Absetzung zum jetzigen Zeitpunkt wäre „ein problematisches Signal für die verschiedenen Migrantengruppen“, so Hausjell.

Nur schmales Angebot

Lediglich eine halbe Stunde pro Woche werden mit dem Sendeformat „Heimat, fremde Heimat“ Migranten direkt angesprochen, ohne für Österreicher uninteressant oder bedeutungslos zu sein. Hausjell: „Für die 16 Prozent der in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund ist dies ohnehin ein schmales Angebot.“

Es wäre durchaus nicht falsch, so der Experte, die Absetzung oder Umstrukturierung einer Sendung dieses Formats als ein weit gesetztes Ziel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verstehen – allerdings nur, wenn Migranten in sämtlichen Medien ausreichend zu Wort kommen. „Vom Prinzip der Diversität in den Medien sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt“, so Hausjell. Das Ziel sei es letztlich, keine Spezialsendungen zu konstruieren, sondern Migranten bewusst im Alltagsprogramm zu berücksichtigen.

Der ORF habe zumindest Schritte in die Richtung übernommen, Migration und Integration im Programm explizit anzusprechen, obwohl kein politischer Auftrag in diese Richtung vorliege. Diese Leitlinie wurde aber de facto noch nicht umgesetzt.

Eine Verringerung der Ausstrahlungsfrequenz von „Heimat fremde Heimat“, dessen Ziel laut ORF ist, „die kulturelle Vielfalt und Integration in Österreich zu fördern“, wäre ein Rückschlag in den Bemühungen des ORF, so Hausjell. Übrigens nicht der einzige: Die Serie „Tschuschen:power“ zählt auch zur Kategorie „leider nicht“ – zumindest vorläufig. Die fünfteilige Serie, in der das Treiben einer Clique Jugendlicher mit Migrationshintergrund dargestellt werden sollte, war für 2008 groß angekündigt worden. Zunächst wurde verlautet, die Serie laufe im Herbst an – dann wurde sie auf 2009 verschoben. Es heißt also weiter: Bitte warten.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.11.2008)


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