Die Schwarzen Menschen in Österreich – Eine vernichtende Bilanz ihrer Akzeptanz

23.04.2014 | 2:11 | simon INOU

In den letzten Tagen ist in den Mainstream Medien viel über die Schwarzen ÖsterreicherInnen gesprochen und geschrieben worden. Die FPÖ hat durch Andreas Mölzer mit dem N* Konglomerat Wort die Diskussion zusätzlich angeheizt. Es ist auf jeden Fall gut und wichtig, dass wir in unserem Land jetzt die Diskussion über das N* Wort weiterführen. Wir sollten nicht vergessen, dass das N* Wort jahrelang für Generationen von ÖsterreicherInnen als ein normales Wort in Schulbüchern stand und dadurch mehrere geprägt hat.

Viele sind damit sozialisiert worden. Zwar war dieses Wort kein „Unwort“, aber das Österreich von heute ist nicht mehr dasselbe wie vor 50-60 Jahren. Unsere Gesellschaft sieht „ethnisch“ anders aus. Diese neuen Ethnizitäten bringen ihre neuen Herausforderungen mit sich: eine neue Definition und Wahrnehmung muss her. Fremddefinitionen, die oft mit einer menschenverachtenden Vergangenheit assoziiert worden sind, sollen durch respektvolle Selbstdefinitionen ersetzt werden. Es zeigt nur eines: Unsere Gesellschaft lebt und das ist entscheidend. Wer hätte vor 5 Jahren wirklich geglaubt, dass der Bundesparteiobmann der FPÖ live auf ZIB2 (eine der meistgesehenen Infosendungen des ORF) sich dafür rechtfertigen muss das N*Wort verwendet zu haben? Das Gegenteil war zu erwarten.

Es bewegt und verändert sich Richtung Diskussion und Konsens über problematische Wörter, die von einem Teil unserer Gesellschaft als beleidigend empfunden werden. Nur wenn wir diese Wörter aus unserem Wortschatz total eliminieren, können wir wirklich anfangen andere ernsthaft wahrzunehmen. Da die entscheidende Frage hier lautet: Ist unsere Mehrheitsgesellschaft in Bezug auf die Akzeptanz von MigrantInnen aufnahmefähig? Wenn Ja, warum ist es so schwer Ihre eigene Selbtsdefinitionen wahrzunehmen und zu akzeptieren, ohne wenn und aber?

Wie wir alle wissen, besteht kein Text ohne Kontext. Es gibt noch viel mehr zu tun und wir sind erst am Anfang uns gegenseitig zu respektieren. Und es geht bitte nicht um „political correctness“, wie manche in ihrem Ghetto glauben. Es wird noch geschehen, dass manche Straßen umbenannt werden müssen, weil es Schwarze ÖsterreicherInnen seit Mitte des 18. Jahrhunderts einfach nicht mehr verkraften wollen ständig von Schulbuchinhalten, Karikaturen, Musik, und Straßenschildern öffentlich erniedrigt zu werden.

Die schwarze Hautfarbe in Österreich zu tragen ist noch immer ein gewaltiger Faktor für Diskriminierung. Das ist keine Behauptung, sondern Fakt. Außerdem sind in den letzten  Wochen mehrere Berichte und Studien diesbezüglich erschienen.

Jedes Jahr gibt das U.S. amerikanische Außenministerium Department of State für alle Staaten weltweit den Menschenrechtsbericht heraus. Heuer brilliert unser Land durch polizeiliche Gewalt, Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und mangelnde Gleichbehandlung. Muslime, Roma, Juden und Menschen afrikanischer Herkunft werden am häufigsten diskriminiert.

Wenn es um Schwarze geht, ist das Thema ein Dauerbrenner. Seit 1999 warnt das US Außenministerium über diese Tatsache. Und die Bundespolitik schweigt und wird kaum aktiv. Anscheinend ist Diskriminierung in Österreich vererbbar: Fußballstar David Alaba, hier geboren, wird immer noch nicht als Österreicher betrachtet. Warum? Weil er eine andere Hautfarbe hat, laut rechts gerichteten Parteien.

Am 21. März dieses Jahres erschien der Rassismus-Report von ZARA. Die Situation von Schwarzen in Österreich, die eine bittere Feststellung darstellt, wurde auch thematisiert. Staatliche Institutionen wie Polizei und Justiz sind diejenigen, die am meisten Schwarze diskriminieren und ihr Leben schwer machen. Kaum zu glauben. Auswirkungen von Diskriminierungen auf das Wohlbefinden des einzelnen Individuums sind in Österreich noch nicht untersucht worden. Allerdings ist 2003 eine US-amerikanische Metastudie – die 53 empirische Studien umfasst – herausgegeben worden. Diese Studie, die die Beziehung zwischen rassistischer Diskriminierung und Gesundheit untersucht, stellt fest: Das Selbstwertgefühl von Menschen, die in einer Gesellschaft marginalisiert, diskriminiert werden und Opfer von negativen Stereotypen sind, wird stark beeinträchtigt. Es ist nicht gesundheitlich fördernd ständig unter Stress zu leben und kein Vertrauen in schützende Institutionen zu haben. Gleichzeitig aber in einer Höchstleistungsgesellschaft zu leben, wo sich jeder behaupten kann, wenn es ums tägliches Brot geht.

Jenseits von plakativen Botschaften gibt es jedoch Institutionen in Österreich, die sich um die Zukunft unseres Landes Sorgen machen. Um zu wissen, wie es den Schwarzen in Österreich geht, haben der Zukunftsfonds Österreich, die Integrationsplattform des Landes Steiermark, die Stadt Graz, die Universität Graz und die ETC Graz eine Studie zwischen März und Oktober 2012 finanziert. Die Beobachtungen von ZARA werden von den Ergebnissen einer EU Studie der Universität Graz bestätigt.

Für diese Studie wurden 717 Schwarzen in den Städten Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck befragt. Untersucht wurde die Wahrnehmung der vier Lebensbereiche Recht, Gesundheit, Arbeit und öffentlicher Raum durch die Zielpersonen: Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit Lebensmittelpunkt in Österreich. Ein Drittel der Befragten gab an, bei Behörden respektlos behandelt worden zu sein. 40 Prozent der befragten Personen, die schon mit Gerichten zu tun hatten, gaben an, dort nicht angemessen respektvoll behandelt worden zu sein. Noch schlimmer: 70 Prozent glauben nicht an die Gleichheit von Menschen mit schwarzer Hautfarbe im österreichischen Rechtssystem. 40 Prozent der Befragten wurden mindestens ein Mal rassistisch diskriminiert, 70 Prozent davon von Kollegen am Arbeitsplatz. 19 Prozent gaben an, auch rassistische Übergriffe erlebt zu haben, auch hier in überwiegender Mehrheit durch Kollegen. 61 Prozent der in Österreich lebenden Schwarzen empfinden, dass sie in der Öffentlichkeit durch Werbung, Medien und Personen des öffentlichen Lebens abwertend behandelt werden. 62 Prozent der Befragten gaben an, als Schwarze von der Mehrheitsbevölkerung als fremd wahrgenommen zu werden. 76 Prozent hiervon empfinden diese Situation als belastend. Das sind die Lebensrealitäten der Mehrheit von Schwarzen in Österreich und die gehören verändert.

Das ist nicht nur die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Diese hat in den letzten 20 Jahren sehr viel geleistet und gesellschaftliche Veränderungen initiiert und gepuscht. Sie macht weiter, allerdings mit kaum Ressourcen. Vielleicht ist es so schwierig Diskriminierungen aktiv zu bekämpfen, weil sich unser Land mit der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit so schwer tut?


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