Kunstinstallation: A Subtlety von Kara Walker

14.07.2014 | 12:09 | Doris Neidl

An Homage to the unpaid and overworked Artisans who have refined our Sweet tastes from the cane fields to the Kitchens of the New World on the Occasion of the demolition of the Domino Sugar Refining Plant. A Public Art Installation by Kara Walker. Eine Rezension von Doris Neidl. 

Mächtig, zugleich zurückhaltend, monumental, ikonenhaft liegt sie vor mir, Kara Walkers Sphinx. Der erste Blick auf sie ist überwältigend. Eine massive aus Zucker gemachte ca. 10 Meter hohe Sphinx stellt mir ein Rätsel. Ist sie ein Monument der Geschichte des Sklavenhandels, der Zuckerindustrie, der Frau oder des Gebäudes an sich?

Fotos der Ausstellung bevölkern das Internet. Ich habe verschiedene sehr kontroverse Artikel über Kara Walkers Installation gelesen und war neugierig diese Ausstellung zu sehen. Am zweiten Tag nach meiner Ankunft in New York pilgerte ich nach Williamsburg zur Sugar Factory, eine alte Zuckerraffinerie, die nach dieses Ausstellung abgerissen werden soll, um teuren Wohnanlagen Platz zu machen. Eine Schlange, die sich über mehrere Blocks zieht, bis man nach ca. 20 minütiger Wartezeit ins Innere der gigantischen Fabrik kommt. Der Blick fällt sofort auf die Sphinx und ich bekomme eine Gänsehaut. Der Anblick ist gigantisch.

Kara Walker ist am besten für ihre Scherenschnitt Silhouetten und Tableaus, die traditionelle Erzählungen von Macht und Unterdrückung verkomplizieren, bekannt. Szenen, die auf den ersten Blick wie idyllische Märchenbilder anmuten, die sich jedoch bald als gewalttätige Unterdrückung offenbaren. Walkers provokative Arbeit – in Form von Zeichnung, Malerei, Text-basierte Arbeiten, Video, Film und Performance – ist häufig Gegenstand von Kontroversen.

Ich habe Kara Walker vor Jahren bei einer Lesung in einer Buchhandlung in Brooklyn gesehen. Dort erzählt sie von ihrer ersten Ankunft in New York, sie erzählt eine Geschichte ehrlich, ohne jedes Pathos, mit Humor und unsagbar traurig. Und genau dieses Gefühl habe ich immer wieder, wenn ich ihre Arbeiten sehe. Sie treffen mich in einer Weise, in der Kunst nur selten im Stande ist.

Walker hat sich in ihrer Karriere einer rassistische Bildsprache angeeignet, stellt häufig Szenen intensiver Gewalt und Sex dar, die besonders unangenehm und verführerisch sind. Sie selbst sagt, dass sie ein Gefühl von „schwindligem Unbehagen“ produzieren möchte.

Ihre Installation „A Subtlety“ produziert dieses Gefühl. Besonders erschütternd finde ich die kleinen aus Melasse hergestellten schwarzen Jungen mit großen Augen, Bananen und Körbe tragend, die wie die Wächter der Sphinx in der großen nach Zucker riechenden Halle stehen. Sie sind seltsam niedlich und überwältigend. Da sie aus Melasse hergestellt sind, verändern sie sich und einige sind geschmolzen, liegen am Boden, zertrümmert. Melasse  – die fast wie Blut wirkt – fließt herab.

Die gigantische Skulptur einer Sphinx hat den Kopf einer Tuch tragenden schwarzen Frau, verweisend auf das mythische Hausmädchen weißer Familien, aber ihr Körper ist eine wahre Karikatur der übermäßig sexualisierten schwarzen Frau, mit großen Brüsten, enormen Gesäß, und entblößter Vulva. Diese Heraufbeschwören des schwarzen Hausmädchens einerseits und des Sexobjekts andererseits, wird noch durch den weißen Zucker verkompliziert.

Besuchern dient die Sphinx als Hintergrund ihrer Fotos, was von vielen als eine große Respektlosigkeit gesehen wird.

(A man explained why he yelled at the Kara Walker exhibit)

Die Sphinx beschwört alte Kulturen und Mysterien, mit all ihren positiven und negativen Bedeutungen. Das Material Zucker wiederum thematisiert den Sklavenhandel. Ihre Form als „Mama“ wirft die Frage der Repräsentation der schwarzen Frau auf. Walkers riesige temporäre Zucker-Skulptur will von Macht, Rasse, Körper, Frauen, Sexualität, Sklaverei, Raffination von Zucker, Zuckerkonsum, Reichtum, Ungleichheit und industrieller Macht sprechen. Doch hält sie wirklich all dem Stand?

Stumm fast drohend steht sie vor uns, ein Rätsel, das man nicht beantworten kann. Doch soll es überhaupt beantwortet werden?  Obwohl die Installation „A Subtlety“ oder sollte ich sagen, gerade weil, sie so viele Fragen offen lässt, finde ich Kara Walkers neue Arbeit sehr gelungen. Sie lässt aufhorchen, nachdenken und nicht zuletzt ist sie Auslöser von Diskussionen.

„If I did my job well“, sagt Kara Walker,  „she gains her power by upsetting expectations, one after the other.“

„A Subtlety“ by Kara Walker, Domino Sugar Factory, South 1st street @ Kent Avenue, Williamsburg, Brooklyn.


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