Was stört österreichische PolitikerInnen an türkischen Flaggen?

04.08.2016 | 9:23 | Konstantin Auer

Wien, 2. August 2016 – In Wiener Neustadt entbrannte eine Diskussion, weil einige türkische Fahnen, von Wohnungen aus, an Fassaden oder Balkonen angebracht wurden. Wie auch schon zuvor bei Demonstrationen in Wien als Reaktion auf den gescheiterten Putschversuch in der Türkei in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016. Doch scheint es dabei weder um die undemokratische Politik der türkischen Präsidenten Erdogans zu gehen, noch um das Aufhängen einer Fahne.

Der Bürgermeister von Wiener Neustadt, welcher der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) angehört, forderte am 22. Juli 2016, wie der ORF berichtete, in einem offenen Brief auf, die Fahnen zu entfernen. Der Brief wurde türkischen Vereinen in der Stadt zugestellt. Bürgermeister Klaus Schneeberger forderte ein „Bekenntnis zur Stadt Wiener Neustadt“ und meinte: „Wer sich nicht zu Wiener Neustadt bekennt, hat in unserer Stadt auch keinen Platz. Genauso wie türkische Fahnen abseits von sportlichen Großereignissen“. Er argumentiert dies mit Beschwerden einzelner BürgerInnen und beschreibt seine Vorstellung von einem Bekenntnis zu Wiener Neustadt weiter: „Dieses Bekenntnis setzt voraus, dass die derzeitigen Entwicklungen in der Türkei nicht durch Symbole, wie türkische Fahnen auf Privathäusern, mitten in unsere Stadt gebracht werden“.

Berichten des Standards zufolge, schaltete sich später auch der Wiener Neustädter Wohnbau- und Sozialstadtrat Michael Schnedlitz von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ein, welcher die Stadtverwaltung beauftragte, sie sollte die Fahnen abmontieren lassen. Die meisten waren aber zuvor schon abmontiert worden. Der FPÖ-Vizebürgermeister Schnedlitz betonte gegenüber dem ORF: „Wer bei uns in einer Gemeindewohnung wohnen will, der hat unsere Regeln und unsere Werte zu akzeptieren. Wer Erdogan unterstützen will, kann gerne ausziehen“.

Demonstrationsrecht und Meinungsfreiheit auch für Austro-TürkInnen

Warum stören sich nun aber Österreichische PolitikerInnen so an türkischen Fahnen? Man wolle nicht, dass die türkische Innenpolitik nach Österreich getragen werde, hört man oft. In Österreich leben, laut Statistik Austria, 270.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, davon sind 116.026 türkische Staatsbürger, warum sich diese nicht für türkische Innenpolitik interessieren dürfen und dies auch nicht zeigen können, ist nicht erklärbar. Das Demonstrationsrecht und die freie Meinungsäußerung gilt natürlich auch für diese Menschen. So dürfen in Österreich ja sogar rechtsextreme Gruppierungen wie die „Identitären“ oder Pegida aufmarschieren. Auch andere ÖsterreicherInnen durften für oder gegen Belange, welche scheinbar nur das Ausland angehen, demonstrieren. Wie es beispielsweise beim Vietnamkrieg oder bei Demonstrationen gegen „den Schah“ der Fall war. Wenn, dann, wie die Presse berichtete, rechtsextreme Graue Wölfe gegen kurdische Lokale losgehen, oder „allahu akbar“ („Gott ist groß“) gerufen wird, dann nimmt das den anderen TeilnehmerInnen immer noch nicht das Recht zu demonstrieren. Auch die undemokratische Vorgehensweise des türkischen Präsidenten Erdogans gegen JournalistInnen, vermeintliche PutschistInnen, JuristInnen und ProfessorInnen, welche sich nach dem Putschversuch verschärft hat, kann nicht zu einem Verbot von Flaggen oder Demonstrationen in Österreich führen. Schon gar nicht, wenn sich diese gegen einen Militärputsch richten. Die Antworten auf den autoritären Regierungsstil Erdogans können keine undemokratischen sein. Vielmehr scheint es den österreichischen PolitikerInnen aber um etwas anderes zu gehen.

Wenn sich zwei Nationalisten treffen

Die „Ayyıldızlı Albayrak“, die „Rote Flagge mit dem Mondstern“, die Flagge der Türkei zeigt klassische Symbole des Islams. Darum scheint es eher zu gehen. Die TürkInnen in Österreich, von welchen viele Anfang der 1960er Jahre als sogenannte „GastarbeiterInnen“ gekommen sind, habe man in Österreich lange ignoriert. Konflikte innerhalb der Community, etwa zwischen jungen rechten TürkInnen und jungen linken KurdInnen, gebe es in Österreich auch schon lange, so der Soziologe Kenan Güngör gegenüber dem Standard. Daraus kann man schließen, dass es heute vielmehr darum geht, dass diese Gruppe in letzter Zeit durch Demonstrationen und Fahnen vermehrt im öffentlichen Raum sichtbar wurde. Das scheint es zu sein, was die österreichischen PolitikerInnen stört. Es wurde sichtbar, dass es in Österreich nicht nur eine Kultur und eine Religion gibt. Eine Flagge als solches, welche natürlich als Symbol für einen Nationalstaat steht, kann ÖVP oder FPÖ PolitikerInnen noch nicht stören. Das „Fahnen-Schwenken“ gehört zu jeder FPÖ-Veranstaltung. Der Wiener Neustädter Bürgermeister hätte, seinem Aufruf zum Lokalpatriotismus zufolge („Bekenntnis zu Wiener Neustadt“), wohl auch nichts gegen das Wappen Wiener Neustadts auf einem Balkon. Doch wenn sich zwei NationalistInnen oder PatriotInnen treffen, dann will der eine den anderen nicht hier haben. Nur so lassen sich auch die vielen Aufforderungen an Teile der austro-türkischen Community, doch Österreich zu verlassen, verstehen. Wie es ja auch Außen – und Intergrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nicht sehr vorsichtig formulierte. (M-MEDIA/Konstantin Auer)

 


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Konstantin Auer