Leben als Bigamist trotz Scheidung

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07.01.2009 | 18:15 | Ania Haar

Wenn binationale Paare sich trennen, gibt es rechtliche Schwierigkeiten.

Lassen sich binationale und internationale Paare scheiden, müssen sie oft mit zusätzlichen Schwierigkeiten rechnen. „Alleine die Frage, welches Recht bei der Scheidung zur Anwendung kommt, ist schon eine Problematik“, sagt Rechtsanwältin Britta Schönhart, Spezialistin für internationales Ehe- und Familienrecht. So kennt Malta als einziges EU-Land keine Scheidung, in Italien muss man sechs Jahre getrennt leben, um sich scheiden lassen zu können.

Eine österreichische Richterin hat neulich die Verhandlung um ein paar Wochen verschoben. Begründung: „Ich muss mich erst mit dem polnischen Recht vertraut machen.“ Wenn sich ein ausländisches Paar in Österreich scheiden lässt, kommt das fremde Recht zur Anwendung. „Das fremde Recht zu recherchieren und sich mit der Judikatur des anderen Landes auseinanderzusetzen kostet nicht nur Zeit, sondern auch viel Arbeit“, meint Schönhart.

Lässt sich ein binationales Paar scheiden, ist das Recht des Staates anzuwenden, wo der letzte gemeinsame Aufenthalt war. Prekär wird es, wenn ein Vermögen im Ausland aufgeteilt werden muss. Denn trotz eines österreichischen Urteils kann die Vollstreckung unmöglich sein. „Eine Mandantin sollte eine Villa in den USA bekommen. Und obwohl wir ein Urteil hatten, bekamen wir nichts“, sagt die Rechtsanwältin. Grund: Zwischen den USA und Österreich gibt es kein Vollstreckungsübereinkommen.

Kurioser Streit um Obsorge

Ein anderer Aspekt betrifft die Obsorge der Kinder. In den meisten katholischen Ländern tendiert man dazu, die Obsorge der Mutter zu übertragen, in skandinavischen Ländern oder in Polen sind beide Elternteile für die Obsorge zuständig. Seit über drei Jahren streitet am Bezirksgericht Innere Stadt Wien Wojciech P., ein polnischer Vater, mit seiner deutschen Exfrau um die gemeinsame Obsorge für die Kinder. Denn nach polnischem und deutschem Recht wäre die Obsorge für beide Elternteile möglich, in Österreich tendiert man eher dazu, die Obsorge der Mutter zu übertragen. Womit der Vater nicht einverstanden ist.

„Einen extremen Fall habe ich aus Neuseeland“, berichtet Schönhart. In Neuseeland wird die Obsorge in der Praxis gehandhabt, wie es gelebt wurde. In diesem konkreten Fall hieß es, dass eine österreichische Mutter mit der Tochter nicht ausreisen durfte, damit der Vater noch Kontakt mit dem Kind haben kann. Sie reiste dennoch aus – der Vater klagt nun wegen Kindesentführung.

Wegen solcher Probleme dauern Scheidungsverfahren bei bi-nationalen und internationalen Paaren in der Regel länger. „Es kann schon passieren, dass man nach polnischem Recht ein Bigamist ist, obwohl man in Österreich bereits geschieden ist“, sagt Andrzej Philips, Rechtsanwalt aus Polen, „weil man vergessen hat, das Scheidungsurteil im jeweiligen Land, beim zuständigen Gericht, anerkennen zu lassen.“ (ANIA HAAR)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.01.2009


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