Wer sind die guten und bösen Migranten?

AUF EINEN BLICK:
  • Öffentliches Bild: Bestimmte Migrantengruppen haben in der Öffentlichkeit ein schlechtes Image. Das liegt unter anderem an der Zahl der betreffenden Gruppe, aber auch an ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit – je unauffälliger, desto weniger schlecht ist das Image. Viel trägt auch die mediale Berichterstattung bei, wie bestimmte ethnische Gruppen gesehen werden.
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19.04.2011 | 22:03 | Ania Haar

Dass manche Migrantengruppen in der Öffentlichkeit als bedrohlich wahrgenommen werden, andere aber ein positives Image haben, hat viel mit der medialen Berichterstattung und kulturellen Zuschreibungen zu tun.

Wien. Türken, Araber und Muslime, das sind die Integrationsverweigerer. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, zum Teil auch in der medialen, schwingt diese Einschätzung immer mit. Umgekehrt hört man nur wenig Negatives über Asiaten, sie gelten als Vorzeigemigranten. So wie auch andere Gruppen, etwa die Polen. Sie werden als weitgehend erfolgreiche und gut integrierte Migrantengruppe wahrgenommen.Und vor allem als weitgehend unauffällige.

Offensichtlich gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung eine Unterscheidung zwischen guten und bösen Migranten. Was zum einen mit der Zahl der betreffenden Gruppe zu tun hat – die kleine tibetische Community fällt nicht so auf wie die zahlenmäßig starken Gruppen, etwa Türken oder Ex-Jugoslawen. Und natürlich spielen auch äußerliche Erkennungszeichen eine Rolle. Die Hautfarbe, der Akzent oder das Tragen eines Kopftuches oder Turbans weist einen Menschen deutlich als Vertreter einer bestimmten Gruppe aus. Das kann wiederum fatale Folgen haben. „Je erkennbarer die Andersartigkeit, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung“, sagt Wolfgang Zimmer, Leiter der Beratungsstelle Zara.

Migranten und Kriminalität

Eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung von Migranten spielt allerdings auch die mediale Berichterstattung. „Die Medien bestehen nach wie vor darauf, bei der Berichterstattung über Kriminalität die Herkunft oder die Religion der Täter zu betonen“, sagt Zimmer. So würden thematische Zusammenhänge und Assoziationsketten geschaffen, in denen Migranten bestimmter Herkunft geradezu zu Synonymen für Kriminalität, Drogen und allgemeine Bedrohung konstruiert werden. So weist etwa eine Vorurteilsliste des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) darauf hin, dass Afrikaner häufig mit dem Bild des Drogendealers verbunden werden. Auch wenn Statistiken ein ganz anderes Bild zeigen.

Während bei manchen Gruppen vor allem negative Eigenschaften im Kontext mitschwimmen, werden Menschen anderer Ethnien mit positiven Merkmalen pauschalisiert. Mit großer Bewunderung wurde etwa über die stoische Ruhe der Japaner nach dem Erdbeben, dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe in Fukushima berichtet. Fast schon ehrfürchtig blickte man auf die Contenance der Japaner. Und so mancher Kommentar war zu vernehmen, dass ihnen diese Ruhe quasi „im Blut liegt“.

„Es wird nicht berücksichtigt, dass die Menschen in Japan von klein auf trainieren, wie sie mit Erdbeben umgehen, und dass sie sich deswegen anders verhalten, als wir uns verhalten würden“, sagt Zara-Geschäftsführerin Barbara Liegl. Mit dem Japanersein an sich habe das wenig zu tun. Durch die Kulturalisierung eines Verhaltens werde den Menschen so das Gefühl gegeben, dass sie ruhigen Gewissens verallgemeinern und behaupten dürfen, ein Volk sei so und ein anderes so.

Diese Kulturalisierung und Ethnisierung wird mit zunehmender Selbstverständlichkeit in öffentlichen Diskursen angewandt. Dabei avanciert ein einziges Merkmal, der ethnische Hintergrund, zum zentralen Merkmal von Menschen und soll ihre Handlungen und ihr Verhalten erklären.

Damit sind Probleme im Alltag von Migranten, deren Ethnie oder Religion immer wieder als Feindbild der Gesellschaft porträtiert wird, quasi programmiert: „Diese Gruppen erfahren mehr Übergriffe im Alltag, wodurch ihnen die Teilnahme am gemeinsamen Leben erschwert wird.“ Alaka Atreya Chudal, Mitarbeiterin am Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde der Universität Wien, hat das am eigenen Leib erlebt: „Solange ich Deutsch nicht wirklich gut sprach, war das Leben für mich extrem schwer.“ Doch obwohl sie mittlerweile gut Deutsch beherrscht, erhielt die gebürtige Nepalesin kürzlich eine Absage für eine Genossenschaftswohnung. Die Begründung: „Keine Ausländer erwünscht.“

„Das heißt aber nicht, dass es brave oder böse Migranten gibt. Diese Bilder sind konstruiert und werden von den Medien reproduziert“, sagt Barbara Liegl. „Es gibt vielleicht Gruppen, die nicht so stark wahrgenommen werden, aber eigentlich kann man für jede Ethnie eine Assoziation zu etwas Negativem finden.“ Hört man von einer Community weniger in den Medien, so wird sie kaum wahrgenommen. Kommen dagegen andere Migrantengruppen öfters in den Medien vor, so würden damit– und den meist mitschwingenden negativen Grundton – meist bestimmte Bilder befestigt.

Keine Lust an der Gesellschaft

„Die Leser können sich stärker aufregen, wenn man ihre schon bestehenden Vorurteile bestätigt“, sagt Zimmer. Derartige Einschätzungen würden noch verstärkt, wenn einer Familienfehde das Wort „türkisch“ beigestellt wird, oder wenn „Drogendealer“ ständig in Zusammenhang mit dem Adjektiv „schwarz“ versehen wird.

Was bedeuten solche Ausgrenzungen für den Integrationsprozess? „Wenn Menschen so behandelt werden, als seien sie nicht Teil dieser Gesellschaft, ist es keine Überraschung wenn sie auch so leben“, sagt Zimmer. „Jemand, der schon in der Schule Diskriminierung erfährt, keine Lehrstelle und später keinen Job findet, hat vielleicht keine allzu große Lust, Teil dieser Gesellschaft zu sein.“

 

ANIA HAAR UND ANA ZNIDAR, Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.04.2011


3 Kommentare

  • puchi goodyear

    Wer staendig ein Feindbild sucht um sich zu definieren oder den code von sich gut benehmen bestimmen will mag seine Identitaet verlieren= sowie der Polizeistaat Austria der von Wiener reinen blut in einer werbekampagne spricht.und sich staendig in politischen blamagen verwickelt findet, so dasz ein kritischer Ansatz von Gesellschaftspolitik geradezu als akademisches Versuchsprojekt angesehen werden kann,weil die Gesinnung wird sich nicht aendern wenn die masse dafuer ist alle zu discreminieren und sich auf einen voellig absurden patriotismus in diesen universalen zeiten zu berufen.War die Geschichte nicht arg genug um zu zeigen dasz massige gesellschaftliche Discrimenation zur Vernichtung von Menschen fuehrt und das mag physischer und seelischer natur sein- heutzutage ist es nur mehr undercover und lauft unter ganz normal auslaenderfeindlich,"weil die sich hier so auffuehren" - Austria fuehrt sich in eine sackgasse vielleicht mit so vielen auslaendern und einer gegenteiligen allgemeinen Gesinnung- wer will da schon gerne dabei sein-ein Herr Niemand vielleicht but not an individual with some kind of human pride............ Geschrieben um 22. April 2011 um 16:08 Uhr Antworten
  • aniahaar

    Sehr geehrter Herr Kerzenmacher, vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Ich bin für eine konstruktive Kritik sehr offen, dennoch kann ich Ihrer Argumentation nicht ganz folgen. Grundsätzliches möchte ich aber vorab klären. Zum Handwerk jedes Journalisten gehört eine gründliche Recherche, zu der neben Gesprächen und Interviews auch das Sammeln von Informationsmaterial, Dokumenten und Quellen gehört. Im weiteren wird das gesammelte Material unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüft. Sie schreiben, dass: „Das kommt nur daher wie sich die Migranten hier aufführen und dementsprechend in den Gefängnissen und Kriminalitätsstatistiken vertreten sind“, ich würde mir gerne die Statistiken, von denen Sie sprechen, anschauen, wenn Sie mir dieser freundlicherweise zur Verfügung stellen könnten. Des Weiteren schreiben Sie „Es ist eine Unverschämtheit zB. japanische und koreanische mit türkischen oder albanischen Migranten in den gleichen Topf zu werfen“, an keiner einzigen Stelle des Artikels werden albanische Migranten mit japanischen, gar koreanisches verglichen. Seien Sie sich bitte sicher, dass die Artikel in der "Presse" nach den gültigen Kriterien des kritischen Journalismus recherchiert und geschrieben werden. Mit freundlichen Grüßen, ANIA HAAR Geschrieben um 21. April 2011 um 12:16 Uhr Antworten
  • Boris Kerzenmacher

    Das hat gar nichts mit der Berichterstattung zu tun. Das kommt nur daher wie sich die Migranten hier aufführen und dementsprechend in den Gefängnissen und Kriminalitätsstatistiken vertreten sind. Es ist eine Unverschämtheit zB. japanische und koreanische mit türkischen oder albanischen Migranten in den gleichen Topf zu werfen. Letztere sind immer willkommen weil sie augenscheinlich wissen wie man sich als Gast aufführt. Letztere glänzen doch eher in der Kriminalitätsstatistik. Geschrieben um 20. April 2011 um 14:48 Uhr Antworten

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