Wie habe ich die Befreiung Mandelas in Kamerun erlebt?

06.12.2013 | 0:42 | simon INOU

Die Ikone des Widerstands gegen das südafrikanische Apartheid-Regime, der Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, ist heute 5. Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren zurück zu seinen Ahnen gekehrt. simon INOU erinnert sich über seine Befreiung. 

Am 11. Februar 1990 wurde die Ikone des Widerstands gegen das südafrikanische Apartheid-Regime, der spätere Friedensnobelpreisträger Nelson Rolihlahla Mandela, nach 27 Jahren Kerkerhaft freigelassen. Ein bewegender Moment für leidgeprüfte Schwarze und der Startschuss für eine neue Ära des friedlichen Widerstands gegen Unterdrückung und Krieg. Ein eindrückliches Erlebnis für mich  persönlich als junger Afrikaner in meinem Heimatland Kamerun.

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Wir waren noch kaum an das Fernsehen gewöhnt, Live-Übertragungen waren sehr selten. Aber unsere Augen hingen an jenem Tag im Februar vor 22 Jahren förmlich an den Bildschirmen der wenigen Schwarzweiß-Geräte. Zusammen mit tausenden anderen rund um den Erdball wurden wir Zeugen eines einmaligen Ereignisses: Der Befreiung des ältesten gefangenen Freiheitskämpfers, den das Jahrhundert kannte. Nach 27 Jahren in den Kerkern Südafrikas wurde Nelson Mandela nach unaufhörlichem Druck von innen und außen am 11. Februar 1990 vom Apartheid-Regime auf freien Fuß gesetzt.

Es gärte und kochte auf dem afrikanischen Kontinent, als Mandela die Freiheit wiedererlangte. Über den ganzen Kontinent verstreut waren Männer und Frauen jeden Alters und jeder Schicht Teil einer Rebellion. Sie hatten ihre neokolonialen Herrscher satt, waren es leid durch Ungerechtigkeiten und Verbrechen jeder Art und das zynische Lächeln der straffrei ausgehenden Täter in ihrer Menschenwürde verspottet und erniedrigt zu werden. Sie hatten genug von der Gewalt, der einzigen Sprache, die ihre Unterdrücker kannten. Die Diktatoren entrissen den Menschen auf dem ganzen Kontinent ihre persönliche Freiheit und ihre Freude am Leben.

Von Dakar im Senegal bis Dar-es-salam in Tansania, vom südafrikanischen Kap bis ins algerische Algier, in Nairobi in Kenia und in Douala in Kamerun – in allen Teilen Afrikas gingen die Menschen auf die Straße. Sie trotzten den Machtapparaten des militärischen Terrors, der Polizei und der korrupten Verwaltung, um Nein zu sagen: Nein zu den Diktatoren. Nein zu den Lügen. Das waren die Gefühle, die die Menschen beseelten – für sie war dieser 11. Februar der schönste Tag des noch jungen Jahres. Endlich war Mandela wieder mitten unter ihnen. Jetzt war die „afrikanische Familie“ wieder komplett und bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Kampf gegen Die Apartheid

Die Jüngeren unter uns erinnerten sich vor allem an Mandelas Frisur. Der berühmte, fein rasierte Strich nicht ganz in der Mitte des Kopfes war damals gerade hoch in Mode in Kamerun. Mit dem Namen Mandela verbanden wir aber auch das Bild von Winnie, seiner Frau – mutige Mitstreiterin und gefürchtet von den Mächtigen Südafrikas war sie das Symbol der starken afrikanischen Frau, ohne die, die afrikanische Gesellschaft nicht gerade stehen kann.

Mandela war der Inbegriff des entschiedenen Mannes im Kampf gegen die Apartheid. Unbeugsam in seinen Zielen, stets unterstützt von Kameraden innerhalb und außerhalb seiner Heimat. Aber konnte er nach 27 Jahren im Kerker noch immer – wie in seiner Jugend – der „weißen“ Macht in Südafrika die Stirn bieten?

Für uns junge Afrikaner war Mandela so etwas wie der letzte überlebende Dinosaurier aus den Reihen jener Kämpfer, die sich mit Leib und Seele dem Kampf für die Unabhängigkeit ihres Kontinents verschrieben hatten. Er war der greifbare Kristallisationspunkt jener Ideen, die aus den heißen Fünfzigerjahren bis heute lebendig geblieben waren, die die Führer so vieler afrikanischer Länder bewegten unter Einsatz ihres Lebens für die Befreiung Afrikas zu kämpfen. Aber viele der afrikanischen Führer wie Amilcar Cabral aus Guinea Bissau, Patrick Lumumba aus dem Kongo oder Um Nyobe aus Kamerun waren von den Kolonialmächten ermordet worden. Durch Mandela war es wieder erlaubt zu träumen.

„Euer ergebener Diener“

An diesem 11. Februar 1990 war das kleine Schwarzweiß-Gerät, an dem zig Augenpaare hingen, plötzlich der Nabel unserer Welt geworden. Er war zu diesem Zeitpunkt die einzige Quelle wirklicher Information, hatte dem bis dahin in Afrika weit verbreitetsten Medium, dem Radio, den Rang abgelaufen. Das Radio genügte auf einmal nicht mehr: Wir wollten Mandela, dieses lebende Symbol des afrikanischen Freiheitskampfes sehen.

Begleitet von seine Frau Winnie, die Faust zu Zeichen des Sieges erhoben, sahen wir ihn und wollten aus ganzem Herzen in der glücklichen Menge sein, die ihm auf seinem Weg in die Freiheit zujubelte. Wie viel Zeit war vergangen! Das Gesicht bedeckt mit Falten, die Haare weiß – in Afrika ein Zeichen für Weisheit. Mandela schien müde zu sein in dieser Stunde. Doch der entschiedene Ton seiner klaren, bestimmten Worte war derselbe wie eh und je. Im Rathaus von Kapstadt sprach er: „Wenn ich heute hier sein kann, so verdanke ich das euch. Ich bin hier, weil ihr es gewollt habt. Ihr habt dafür gekämpft, dass ich jetzt unter euch sein kann. Ich stehe also nicht vor euch als ein Prophet, sondern als ein euch ergebener Diener.“

Unermüdlich für den Frieden

Mandela erhielt 1993 den Friedensnobelpreis dann war er fünf Jahre lang Präsident seines Landes. 1998 war er einer der Begründer der Wahrheitskommission. Mit ihr wird ein afrikanischer Weg der Bewältigung von Schmerz und Rache, aufgestaut seit Generationen südafrikanischer Apartheidpolitik, beschritten.

Du  bleibst unter uns Nelson und du weißt es, niemand stirbt wirklich in Africa. Wie Birago Diop aus dem Senegal sehr schön geschrieben hat:

„Die gestorben sind, sind niemals fort, Sie sind im Schat­ten der sich erhellt, Und im Schatten der tiefer ins Dunkle fällt. Sie sind in dem Baum der dröhnt Und sind in dem Baum der stöhnt, Sie sind in dem Was­ser das sich ergießt Wie im Was­ser das schla­fend die Augen schließt, Sie sind in der Hütte, sie sind im Boot: Die Toten sind nicht tot.“


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