Europa als Sprungbrett für afrikanische Jung-Stars

default
Das Schicksal afrikanischer Spieler in Österreich ist auch Thema von einigen Filmen.
  • Schwarze Perlen (2008): Der Kurzfilm von Wolfgang Murnbergers und Benedikt Rubey zeigt die Situation afrikanischer Flüchtlinge, die eine eigenes Team gründeten.
  • Der schwarze Löwe (2007): Wolfgang Murnberger schildert die wahre Geschichte einer kleinen Fußballmannschaft, die durch dreiafrikanische Kicker aufblüht – bis sie abgeschoben werden.

05.06.2008 | 18:43 | Ewa Dziedzic

Die Nachfrage nach afrikanischen Spielern in Europa ist groß. Die österreichische Bundesliga wird von Spielervermittlern allerdings als nicht besonders attraktiver Markt gesehen.

Kommt ein Fußballer aus ärmlichen Verhältnissen in der Elfenbeinküste nach Österreich, muss das für ihn paradiesisch wirken, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: „Die Spieler träumen vom großen Fußball, wollen hochgradige, professionelle Fußballer sein,“ sagt Nick Neururer, der als Fifa-Spielervermittler und Scout immer wieder mit Talenten aus Afrika arbeitet.

Österreich stuft er als „nicht besonders attraktiv für afrikanische Talente“ ein. Gerade einmal acht Afrikaner spielen derzeit in der Bundesliga, unter anderem Ibrahim Sekagya. Er wechselte 2007 nach sechs Jahren in Argentinien zu Red Bull Salzburg und gilt als teuerster Spieler Ugandas.

Die meisten Spieler aus Afrika finden sich in Frankreich, England und Belgien. Ein Ergebnis kolonialer Erfahrung? Tatsächlich werden Migrationsrouten, die vor der Unabhängigkeit afrikanischer Länder bestanden haben, auch heute genutzt. Doch Neururer widerspricht: „Die Rekrutierung afrikanischer Spieler hat nichts mit Ausbeutung oder Kolonialismus zu tun. Das sind positive Projekte“.

Österreich kann dabei für Fußballer aus kleineren afrikanischen Ländern zumindest ein Sprungbrett sein. „Ein junger Mann aus Burkina Faso weiß, ihn holt kein Klub direkt nach Frankreich zu einem großen Klub,“ erklärt Neururer, „in Österreich kann der Spieler relativ schnell in der höchsten Landesliga spielen, auf sich aufmerksam machen.“ Wenn er dann den Sprung in die nächsthöhere Stufe schafft, winkt ihm ein richtig guter Vertrag.“

Bürokratische Hürden

Davor gilt es aber, einige bürokratische Hürden aus dem Weg zu räumen: Die Ausstellung eines Visums zählt laut Neururer zu den größten Hürden bei der Vermittlung von Fußballern nach Europa: „Da schrecken dann alle Seiten ein wenig zurück.“ Außerdem müssen Trainer und Verein mit dem Spieler umgehen können, „seine andere kulturelle Entwicklung und Zivilisierung berücksichtigen“. So sei es schon vorgekommen, dass ein muslimischer Spieler während des dreiwöchigen Probetrainings nichts gegessen hat, weil er nicht wusste, was ihm im Restaurant serviert wurde. „Die Unterstützung durch den neuen Klub ist dabei sehr wichtig.“

Ein anderes Problem, das Spieler und Verein zu schaffen macht, ist der große Leistungsdruck, gepaart mit Ungeduld: „Die glauben immer, die schwarze Perle macht nächste Woche schon drei Tore,“ meint Nerurer, „doch dafür sind zuerst das richtige Umfeld und die nötige Zeit notwendig, damit der Spieler behutsam in die Mannschaft eingebaut werden kann – dann funktioniert es.“

Der Spielerscout räumt auch mit einem anderen Klischee auf: „Athletisch gibt es manchmal Defizite, obwohl viele glauben, Afrikaner sind von Haus aus schneller und muskulöser – das ist aber ein Irrglaube.“ Bei der Beschreibung afrikanischer Fußballer werde oft eine subtile Form von Diskriminierung sichtbar: Sie galten und gelten als begabt und unreif. Erfolgreiches Fußballspielen wird oft nicht als Resultat harter Arbeit gesehen, sondern den natürlichen Eigenschaften, dem angeborenen Talent, Instinkt und Unermüdlichkeit zugeschrieben. Umgekehrt wird afrikanischen Spielern Effizienz und taktisches Verständnis oft abgesprochen.

Dass Afrikaner günstig zu bekommen sind und oft erfolgreich spielen, macht den afrikanischen Markt für kleinere europäische Ligen interessant. Das sorgt auch für Kritik, etwa weil auf diese Weise afrikanische Spieler zur Investitionsmöglichkeit werden: Mit Hilfe von Spielervermittlern werden sie gekauft, um später profitabel ins Ausland verkauft zu werden.

Geschäft wie jedes andere

Spielervermittler Neururer sagt dazu: „Es ist ein Geschäft wie jedes andere, wo es schließlich um Profit geht.“ Und doch wehrt er sich gegen den Vorwurf, dass Afrika und seine Spieler auf diese Weise ausgebeutet werde: Man könne „auf jeden Fall nicht sagen“ meint er, „dass die menschlichen Ressourcen wie Bodenschätze abgebaut und brach liegende Baustellen hinterlassen werden“.

(MEROPI TZANETAKIS „Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.06.2008)


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Ewa Dziedzic