Migranten drängen in den Spitzensport

AUF EINEN BLICK:
  • Immer mehr Migranten drängen– wie in vielen Bereichen der Gesellschaft – in den Spitzensport vor. 21 von 70 Olympia-Teilnehmern haben Migrationshintergrund. Im Profifußball reicht ihr Anteil bis zu 42Prozent.

16.08.2012 | 14:08 | Amin Elfeshawi

21 von 70 österreichischen Teilnehmern der Sommerspiele in London haben Migrationshintergrund. Im Profifußball beträgt ihr Anteil bis zu 42 Prozent.

Wien/London. Genau 70 Sportler entsandte Österreich zu den Olympischen Sommerspielen nach London. 21 davon haben Migrationshintergrund. 15 davon wurden im Ausland geboren. Georg Spitaler, Politologe mit dem Forschungsschwerpunkt „Sport und Politik“, wundert das gar nicht. „Das ist ein Ausdruck der Diversität der österreichischen Bevölkerung.“ Aber: Die Neo-Österreicher verteilen sich keineswegs gleichmäßig auf alle in London besetzten Sportarten. In manchen ist ihr Anteil höher, in anderen gar nicht vorhanden. Während im Schwimmen der höchste Anteil zu verzeichnen war, gab es sechs Sportarten ohne rot-weiß-rot-migrantischer Beteiligung.

Proletarier gegen Bürgerliche

Spitaler unterscheidet zwischen zwei Ebenen. Nämlich jener der Wohnbevölkerung und der der Arbeitsmigration im Sport. „Im Eishockey gibt es in Österreich beispielsweise seit den 1960er-Jahren Spieler aus Nordamerika, im Fußball sind transnationale Netzwerke noch älter.“

In den Sozialwissenschaften werden bürgerliche und proletarische Sportarten unterschieden. Die Olympischen Spiele seien nicht zuletzt durch bürgerliche Spiele gekennzeichnet, oder anders ausgedrückt: „Es gibt einen Unterschied zwischen Segeln und Fußball.“

Der Soziologe Pierre Bourdieu sieht in der Sportausübung eine Form der sozialen Positionierung. Dahingehend müsse man bei der Beschreibung von migrantischen Communitys und ihren Aktivitäten in der Sportwelt eine differenzierte Betrachtungsweise heranziehen. Kampfsportarten wie Ringen oder Boxen würden einen höheren Anteil von Menschen aus der türkischen oder ex-jugoslawischen Gemeinde aufweisen.

Fußball bildet eine Kategorie für sich: „Profifußball hat viel mit Schul- und Nachwuchsmodellen zu tun, daher ist die Mittelklasse stärker repräsentiert als früher.“ In der Bundesliga gibt es bei den Fußballvereinen einen 30-prozentigen Anteil von Spielern mit Migrationshintergrund. Von 1457Nachwuchsfußballern haben 431 ausländische Wurzeln. Spitzenreiter ist Austria Wien mit einem Anteil von 42,78Prozent, während Admira Wacker Mödling mit 14,71Prozent das Schlusslicht bildet. Bei der Austria stammen die Spieler aus neun verschiedenen Ländern.

Role Models: Chance und Risiko

Aber taugen Sportler mit Migrationshintergrund als Role Models? Spitaler: „Auf symbolischer Ebene funktioniert das gut.“ Ein aktuelles Beispiel dafür sei die Kampagne des TV-Senders „Puls4“ mit FC-Bayern-Star David Alaba und seiner Schwester. Problematisch werden solche Beispiele jedoch spätestens bei sportlichem Misserfolg, wie eine Studie Ende der 1980er-Jahre im Fall des Kanadiers mit jamaikanischen Wurzeln, Ben Johnson, zeigte: „Nach der Enttarnung als Dopingsünder hat plötzlich die Eingemeindung als ,kanadischer‘ Sportler nicht mehr funktioniert.“

Im Fußball hingegen existieren Diskussionen über nationale Loyalität vor dem Hintergrund von Doppelstaatsbürgerschaften. Die moralischen Debatten, welche hier dann geführt werden, haben laut Spitaler nichts mit der realen Lebenswelt des betroffenen Sportlers zu tun, weil da eine ganz andere Logik eine Rolle spielt. „Dennoch ist es wichtig, dass es sichtbare Figuren gibt, die eloquent sind und sich auch in der Öffentlichkeit gut darstellen können.“

Auffällig ist aber, dass in den vergangenen fünf bis zehn Jahren Sport und Integration zu politischen Themen wurden. Das ist neu. Spitaler: „Österreich war lange Zeit ein Land, das eine assimilatorische Sportpolitik betrieb.“ In Holland hingegen seien Minderheiten durch große Kampagnen gezielt zum Sport gebracht worden. Hier bestehe in Österreich noch Nachholbedarf.

Diese Meinung teilt auch Mohamed Rahman, Ex-Nationaltrainer des österreichischen Volleyballteams. „Hierzulande fehlt die professionelle Einstellung im Sport“, ärgert er sich. Demzufolge sei es auch nicht verwunderlich, dass ein allgemeines Defizit bei der Förderung von Migranten im Sport vorhanden sei. Nachbarländer seien da viel weiter. „In Deutschland sind das System und die Einstellung ganz anders. Dort arbeitet man auf eine professionelle Art, weil Politiker im Hintergrund stehen, die sich auch für Sport interessieren.“

Ruf nach mehr Geld

Um international bestehen zu können, ist laut Rahman vor allem eines nötig: mehr Geld. Man brauche eine bessere Vorbereitung und mehr Trainingslager, um die guten Sportler selektieren zu können. All diese Versäumnisse seien Faktoren, weshalb Österreich in London keine Medaille gewonnen habe.


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