Ben Rhouma: „Ein Infoportal nur für MuslimInnen wäre absurd“

INFO
  • Saphirnews.com ist das erste und größte Informationsportal von MuslimInnen in ganz Europa mit Sitz in Frankreich. Sie berichten aus der Perspektive von MuslimInnen. Die Internetseite wird monatlich von mehr als siebenhunderttausend Menschen besucht. Saphirnews.com erscheint auch einmal im Monat als Printmedium unter dem Namen Salamnews. Gegründet wurde es 2002 um MuslimInnen eine mediale Stimme zu geben.

27.06.2013 | 18:29 | simon INOU

Nikosia. Hanan Ben Rhouma ist Chefredakteurin von Saphirnews.com, dem ersten und größten Informationsportal von MuslimInnen in ganz Europa mit Sitz in Frankreich. Saphirnews.com berichtet täglich aus der Perspektive von MuslimInnen. Die Internetseite wird monatlich von mehr als siebenhunderttausend Menschen besucht. Saphirnews.com erscheint auch einmal im Monat als Printmedium unter dem Namen Salamnews. M-MEDIA hat mit der Chefredakteurin Hanan Ben Rhouma bei einer Medientagung in Nikosia ein Interview über die mediale Darstellung von MuslimInnen, deren Partizipation in der öffentlichen Debatte und das Tabuthema „Homosexualität“, geführt.

Frau Ben Rhouma, können Sie Saphirnews.com bitte für unsere LeserInnen vorstellen?

Saphirnewsnews.com ist das Informationsportal für Muslime in Frankreich und in Europa. Unser Ziel ist es über das Anliegen und die Interessen der muslimischen Communities vielfältig,ökonomisch, politisch, sportlich, kulturell, zu berichten. Dieses Portal existiert seit 2002.

Warum wurde Saphirnews.com gegründet?

Die Gründer von Saphirnews.com sind Mohammed Colin und Mourad Latrech. Beide haben nach dem 11. September 2001 bemerkt, dass die Art und Weise wie MuslimInnen in den Medien dargestellt werden, nicht annähernd in die Lebensrealität der MuslimInnen passt. Und das war die zündende Idee. Das Ziel ist und bleibt die Öffnung der medialen Sphären für Personen mit muslimischem Hintergrund, damit MuslimInnen eine mediale Stimme haben können. So fördern wir die Partizipation der MuslimInnen in verschiedenen Diskussionen, die in Frankreich geführt werden. Zusammengefasst etwas wie – von der Fremddarstellung zur Selbstdarstellung.

Fühlen sich MuslimInnen in französischen Mainstream Medien und in der öffentlichen Diskussion repräsentiert?

Wir fühlen uns überhaupt nicht repräsentiert. Mainstream Medien geben MuslimInnen kaum Möglichkeiten, ExpertInnen-Meinungen mit muslimischem Hintergrund zu äußern. Unsere Einbindung in die französische Debatte ist schlecht und nur krisenspezifisch. Was ich sehr schade finde. Wir existieren seit mehr als 10 Jahren, sind in Frankreich das größte Infoportal aber der Leiter der Diversity Abteilung vom öffentlich-rechtlichen France Televisions, den ich hier (Anm. d. Red.: Bei der Medienfachtagung des Europarats in Nikosia) getroffen habe, hatte keine Ahnung von uns und unserer Arbeit. Zum Glück haben wir uns hier getroffen und werden ab jetzt sehen, wie wir gemeinsam arbeiten können.

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Sie tagtäglich in Ihrer Redaktion konfrontiert sind?

In Frankreich kämpfen wir noch immer gegen Vorurteile gegenüber MuslimInnen. Islamfeindlichkeit ist auch ein großes Problem, worüber wir auch berichten. Trotzdem befürworten wir, dass die Diversität der französischen Gesellschaft erlebt und nicht nur auf bestimmte Gruppen reduziert wird. Schade, dass in Frankreich MuslimInnen immer noch als Problem in der Berichterstattung wahrgenommen werden. Wichtig in unserer Arbeit ist auch zu zeigen, dass es in Frankreich nicht eine muslimische Community gibt, sondern mehrere muslimische Communities.

Ich vermute, dass diese innere Diversität auch Einfluss auf die Berichterstattung von saphirnews.com hat.

Ja natürlich. Alle diese Perspektiven berücksichtigen wir in unserer Berichterstattung.

Werdet ihr manchmal als  Ghettomedium bezeichnet?

Ja öfters. Obwohl unsere Inhalte nicht nur für ein moslemisches Publikum geschrieben sind, sondern aus einer Perspektive, nämlich der, die Interessen der MuslimInnen in den Vordergrund zu rücken. Das ist der Unterschied und es gilt für alle Medien weltweit. Das wäre auch absurd ein Infoportal nur für MuslimInnen zu gestalten. Da wir uns aus Anzeigengeldern finanzieren. Außerdem, wenn wir gegen Vorurteile gegenüber MuslimInnen kämpfen ist es klar, dass MuslimInnen nicht unser primäres Publikum sind, sondern die Gesamtgesellschaft.

Gesamtgesellschaftlich betrachtet: Wie werden MuslimInnen in der Berichterstattung thematisiert und wahrgenommen?

Sehr negativ. Die zentralen negativen Themen, die für MuslimInnen ist Frankreich gelten sind: Terrorismus, Unsicherheit, Gewalt. Das bestätigen die Jahresberichte, die über Diskriminierungen in und über MuslimInnen in Frankreich publiziert werden. Zum Glück schaffen wir bei saphirnews.com ein anderes Verständnis von MuslimInnen in Frankreich, das mit den oben genannten Themen nichts zu tun hat. In Frankreich gibt es eine sehr starke Stigmatisierung von MuslimInnen mit dem Grundtenor: „MuslimInnen sind Ausländer in Frankreich und wollen sich nicht integrieren“.

Ist da Ihrer Meinung nach etwas Wahres dran? Und was versteht ihr bei Saphirnews.com unter „Integration“?

Es stimmt überhaupt kaum. Bei Saphirnews.com verstehen wir Integration als „seinen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten“. Was die muslimischen Communities in Frankreich machen. Zum zweiten ist Partizipation für uns ein Schlüsselwort, wenn es um Integration geht. An nationalen Diskussionen teilnehmen, vorwiegend wenn diese nicht immer mit dem Islam bzw. der muslimischen Communities  zu tun haben.

Gibt es ein praktisches Beispiel?

Ja. Die Diskussion rund um die gleichgeschlechtliche Ehe hat unsere Leserschaft sehr gespaltet. Saphirnews.com war das einzige Medium mit muslimischem Hintergrund in Frankreich, das die Diskussion thematisiert hat. Diese Thematisierung hat ein Teil der Leserschaft nicht toleriert – die, die glauben, dass diese Ehe von der Religion verboten ist. Wir müssen auch Klartext reden: Homosexualität ist im Islam noch ein tabuisiertes Thema.

Gibt es auch MuslimInnen, die sich für die gleichgeschlechtliche Ehe einsetzen?

Eines müssen wir sagen: Die große Mehrheit der MuslimInnen ist dagegen. Aber es gibt MuslimInnen, die auch dafür sind. Vor zwei Jahren ist eine neue Bewegung in Frankreich entstanden, die beides verkörpert: Muslim sein und homosexuell sein: Homosexuelle MuslimInnen – die Homosexuels Musulman de France. Unsere Aufgabe ist nicht diese Realität zu leugnen sondern darüber zu berichten, weil sie eine Tatsache ist. Das ist auch ein Zeichen der innermuslimischen Pluralität.

Wie sieht sich Saphirnews.com in zehn Jahren? 

Es ist wichtig, dass wir unsere Aufgabe zur Aufklärung von muslimischen Realitäten in Frankreich wahrnehmen. Aber auf der anderen Seite ist es auch wichtig und entscheidend, junge JournalistInnen für große Medien auszubilden, die ein normales Verständnis von den muslimischen Realitäten in Frankreich haben. Wir sind einfach unterwegs und können noch viel mehr beitragen, um ein korrektes Bild von MuslimInnen in Frankreich in den Medien zu erzeugen.

 


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von simon INOU