Mehr Demokratie? Aber nicht für MigrantInnen!

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22.04.2013 | 15:05 | Clara Akinyosoye

Das Demokratievolksbegehren und das Demokratiepaket der JVP erheben den Anspruch mehr Demokratie herstellen zu wollen. Leider ist kein Mehr an demokratischen Rechten für Nicht-Staatsbürger vorgesehen.

Zuerst die gute Nachricht: Dieser Tage ist wieder viel von Demokratie gesprochen worden. Denn dass sich einige Altpolitiker zusammengeschlossen und ein Demokratievolksbegehren initiiert haben hat Nachrichtenwert. Da war die Rede von Transparenz, Bürgerwillen und der Forderung nach einem Mehr an der hierzulande schwach ausgeprägten direkten Demokratie. Warum auch nicht die Bürgerinnen und Bürger mitgestalten lassen? Demokratie bedeutet, die Herrschaft geht vom Volk aus. Und wer das Volk ist, ist klar definiert: Österreichische StaatsbürgerInnen.

Ein Fünftel ohne Wahlrecht

Jetzt die schlechte Nachricht: Infrage gestellt wird diese Definition von den InitiatorInnen des Demokratievolksbegehren leider nicht (öffentlich). Die Forderungen sind fortschrittlich, wichtig und sollten glatt unterschrieben werden. Aber die Tatsache, dass die Frage eines inklusiven Wahlrechts für Nicht-StaatsbürgerInnen keine Erwähnung findet ist bedauerlich. Tatsache ist, dass zum Beispiel in Wien 20 Prozent der Bevölkerung im wahlfähigen Alter keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und somit weitgehend von der Möglichkeit der politischen Partizipation ausgeschlossen ist. Allein auf Bezirksebene dürfen EU-BürgerInnen mitbestimmen. Eine kleine Möglichkeit der politischen Partizipation von der Drittstaatsangehörige nur träumen können.

Staatsbürgerschaftszuckerl sind obsolet

Wenn ein beachtlicher Teil der Bevölkerung nicht mitbestimmen darf ergibt das für die Politik ein klares Legitimationsproblem. In vielen Ländern Europas, etwa Irland, Luxemburg, Belgien, Slowakei, Schweden (um nur einige zu nennen) hat man sich im Laufe der Jahre an die neuen demographischen Gegebenheiten angepasst und individuelle Formen der politischen Partizipation für Nicht-StaatsbürgerInnen etabliert. So haben etwa sechs Kantone in der Schweiz selbstbestimmt ein Wahlrecht für Nicht-StaatsbürgerInnen eingeführt. Freilich nicht ohne Voraussetzungen wie einer Niederlassungsbewilligung und eines mehrjährigen Wohnsitzes in der Schweiz, wobei die Spannbreite in den Kantonen etwa zwischen fünf und zehn Jahren liegt.  Auch in Österreich sollten wir uns von dem längst obsolet gewordenen Paradigma verabschieden, dass MigrantInnen wenn sie anständig und fleißig sind mit dem  Staatsbürgerschafts- und Wahlrechtszuckerl belohnt werden.

Menschen, die in Österreich ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben und mit denselben Pflichten ausgestattet werden wie die autochthone Bevölkerung, sollten auch mit denselben Rechten ausgestattet werden. Alles andere erzeugt angesichts der demographischen Entwicklungen in Österreich ein peinliches Demokratieproblem. Gerade jene Initiativen in Österreich, die sich um mehr Demokratie bemühen, sollten dieses Thema nicht ausblenden oder verstecken auch wenn es nicht populär, vielleicht noch nicht mehrheitsfähig und mit Überfremdungsängsten verbunden ist.

Hand aufs Herz

Es ist besonders problematisch, dass sich gerade die Junge Volkspartei in ihrem Demokratiepaket nicht für ein inklusives Wahlrecht einsetzt. Schließlich wäre Sebastian Kurz in seiner Position als Obmann der JVP und als Integrationsstaatssekretär dafür prädestiniert dieses demokratiepolitische Thema auf seine Agenda zu setzen. Es ist aber vielleicht bequemer MigrantInnen an ihre Pflichten zu erinnern und ihnen Belohnungen in Aussicht zu stellen als ihnen gleiche Rechte zu erkämpfen.

Das Wahlrecht soll und muss freilich eines der wertvollsten demokratischen Güter in Österreich bleiben. Aber der Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit auch das Recht zu wählen sind an „finanzielle Stabilität“ gekoppelt. MigrantInnen, die Geringverdiener, arbeitslos, in Pension, Hausfrauen/männer sind oder Teilzeit arbeiten, haben – auch wenn sie schon sehr lange hier dazugehören –  schlechte Chancen jemals eine Wahlkabine von innen zu sehen. Hand aufs Herz. Ob das ein modernes, fortschrittliches aber vor allem faires und demokratisches System ist? Es darf bezweifelt werden.


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