„Zerbrochenes Glas“: Der neue Roman von Alain Mabanckou

Über das Buch
  • Alain Mabanckou
  •  Zerbrochenes Glas.
  • Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller.
  • Verlagsbuchhandlung Liebeskind 2013
  • ISBN: 978-3-95438-006-0
  • € 18,90
  Über den Verlag

17.05.2013 | 18:43 | Elisabeth Ndokwu

Selbst in einer Großstadt wie Brazzaville sprechen sich manche Dinge schnell herum. Es gibt einen, der sitzt in einer Bar und schreibt Geschichten, die ihm erzählt werden, in ein Heft. Natürlich handelt es sich nicht um irgendeine Bar. „Angeschrieben wird nicht“ ist die Bar in der „Straße der Unabhängigkeit“, die kurz nach ihrer Eröffnung eine veritable Staatskrise ausgelöst hat.

Das ist Jahre her, als sich „Zerbrochenes Glas“, einer der Stammkunden daran macht, die Geschichte(n) der Bar aufzuschreiben. Ganz freiwillig geht er nicht unter die Schriftsteller, er wird freundlich gebeten, das eine oder andere Glas Rotwein wandert über den Tresen. „Sture Schnecke“, der Besitzer der Bar, führt seine Geschäfte konsequent. Er kennt seine Gäste und weiß, „Zerbrochenes Glas“ ist nicht nur ein Stammkunde der ersten Stunde, er ist ein belesener und gebildeter Mensch.

Wie kein anderer der zeitgenössischen AutorInnen versteht es Alain Mabanckou seinen illustren Figuren Zitate aus philosophischen Schriften der Weltgeschichte in den Mund zu legen. Ob nun Leopold Senghór oder Rene Descartes aus seinen Figuren spricht, die entscheidende Frage – wie man leben soll oder kann – ist das zentrale Element dieses famosen Romans.

Die Gestrandeten und Gedemütigten versammeln sich in dieser Bar und sie erzählen ohne Punkt und Komma, wo in ihrem Leben sie die „Straße der Unabhängigkeit“ gewählt haben. Wie in seinem mit dem Prix Renaudot ausgezeichneten Roman „Stachelschweins Memoiren“ hat sich der Autor für die formale Eigenheit, keine Interpunktion zu setzen, entschieden. Während die Lesenden noch das Interieur der Bar bewundern, drängen sich ein Drucker, eine Prostituierte, ein Zauberer und Betrüger in das Heft von „Zerbrochenes Glas“. Die fragilen Lebensentwürfe werden durch Reflexionen des Schreibenden garniert. Sein eigenes zerbrochenes Leben wird aufgefächert und am Ende geschlossen. Mit 64 Jahren befindet der ehemalige Lehrer, er habe genug Rotwein getrunken.

Alain Mabanckou versteht es eine Bar in einen Palast der Illusionen zu verwandeln. Er bleibt nahe an seinen Figuren und verliert sich in all der Fabulierkunst nie in Sentimentalitäten. Dieser Autor erschreibt seinen Protagonisten in ihrer alltäglichen Verzweiflung eine vornehme Würde. Selbst in kompromittierenden Situationen, wie etwa einem Pisswettbewerb in der Bar, werden die Figuren nicht entblößt.

Und wo könnten die großen Themen der Weltliteratur, die Liebe und der Tod, besser verhandelt werden, als an einem Bartresen, der die Welt bedeutet.


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