„Muslime können sich noch unterordnen“

BUCH
  • Carina Klammer: Imaginationen des Untergangs. Zur Konstruktion antimuslimischer Feindbilder im Rahmen der Identitätspolitik der FPÖ, LIT Verlag, Wien, Berlin 2013

26.11.2013 | 17:01 | Kerstin Kellermann

Ein neues Buch analysiert die Ambivalenzen und Sehnsüchte der extremen Rechten in Bezug auf ihre antimuslimischen Feindbilder. Im Islam gälte noch das Führerprinzip, während „unsere Männer verweiblicht“ seien.  „Die große Angst ist die, dass die hierarchische Struktur verloren geht oder sich sogar umdreht!“, sagt die Buchautorin Carina Klammer.

„Die Figur des Unterganges ist ganz zentral für den Diskurs und wie sich in den letzten Jahren die Ablehnung gegen Migranten zuspitzt. Sie spielt die Hauptrolle. Nicht nur für die FPÖ oder die extreme Rechte, sondern auch darüber hinaus“, sagt Carina Klammer. Ihr Buch „Imaginationen des Untergangs. Zur Konstruktion antimuslimischer Feindbilder im Rahmen der Identitätspolitik der FPÖ“ ist gerade erschienen. „Gleichzeitig entpolitisiert sich dieser Ablehnungs-Diskurs, er naturalisiert sich sozusagen.“ Die VerkünderInnen des Unterganges inszenierten sich als die „wahren Propheten“ und dramatisierten Ereignisse mit Entsetzen, nach dem Muster: „Wer jetzt nicht handelt, ist verloren!“. Ein Beispiel: Die Muslime nehmen unseren Kindern den Nikkolo weg! „Der Diskurs hat sich auf kulturelle Fragen verlagert und wird entpolitisiert. Gleichzeitig kommt es zu einer Naturalisierung von Kultur. Die Untergangs-Verkünder zementieren diese Verschiebung ein: Die Lage sei politisch nicht veränderbar. Damit wollen sie den Diskurs den Verhandlungen entziehen.“

Im Buch gibt es genaue Definitionen und Analysen der Begriffe „Islamophobie“, „antimuslimischer Rassismus“, „Neorassismus als Naturalisierung des Kulturellen“ – dieser Teil ist etwas langatmig geraten. Bei der Buchpräsentation im Wiener „Republikanischen Klub“ erklärt Carina Klammer viel genauer, was Sache ist und rollt sich die nächste Zigarette ein.

Führerprinzip und Weiblichkeitsabwehr

„Die extreme Rechte muss sich in Europa trotz unterschiedlicher Ausformungen des Rassismus gemeinsam organisieren und fand ein gemeinsames Feindbild“, meint Klammer. Doch dieses Feindbild sei stark von Ambivalenzen geprägt, denn einerseits gäbe es eine große Bewunderung für den Islam, in dem das Führerprinzip noch gälte. Andererseits würden starke Minderwertigkeitskonstruktionen verbreitet, wie z. B. mit den Bildern „Schwert“ und „Harem“ alte Assoziationen des „triebhaften Orientalen“ geweckt. Doch auch viel Neid schwinge mit: MuslimInnen legten Wert auf die Familie, es herrschten eindeutige Geschlechterverhältnisse vor und es gäbe eine „homogene muslimische Solidargemeinschaft“, die die rechte Sehnsucht nach einem „homogenen Volkskörper“ zeige. Muslime wüßten noch, was „Ehre und Treue“ bedeute! Und sie könnten sich noch unterordnen.

Große Bedeutung hat laut Klammer auch die „Weiblichkeitsabwehr“ der extrem rechten Männer. Ganz Europa wäre deren Meinung nach mittlerweile „verweiblicht“, sprich verweichlicht: „Frauen könnten sich nicht für höhere Ideale aufopfern, sie hängen immer an ihren persönlichen Sachen fest. Und richtig kämpfen können sie auch nicht.“ Das bringt einige Zuhörerinnen zum Lachen. Ein Lachen, das ihnen bald vergeht, denn Klammer warnt: „Über die ganzen Kriegs- und Todesmetaphern wird eine wehrhafte Männlichkeit eingefordert. Nur Muslime würden sich bis zum Tod aufopfern, unsere angeblich verweiblichten und verschwulten Männer nicht mehr! Das sei das Problem, sagen die extrem rechten Männer, deswegen werden die Muslime gewinnen.“

Abendland und „Großdeutschland“

FPÖ-Politiker Strache war ab dem Jahre 2005 der erste, der mit dem Kreuz in der Hand alte Debatten und Bilder wieder in Gang setzte: „Der Begriff des Abendlandes stellt innerhalb rechten Denkens keine Neuheit dar. Ganz im Gegenteil. Das Christentum verortete sich in der Abgrenzung nach außen – gegen die Osmanen und später gegen die Bolschwiken. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Begriff Abendland gerne synonym für Großdeutschland!“

In der Diskussion taucht dann schnell die Frage nach den Vorteilen der Untergangs-Mythen auf. „Mit den ganzen Notwehr-Szenarien, um den Untergang zu verhindern, kann man eine permanente Angst-Lust aufrechterhalten“ ist die Antwort, „gleichzeitig ist so jedes Mittel recht, jede Aggression wird als Verteidigung gerechtfertigt“.  Außerdem fallen auf diese Weise praktischerweise die Ressourcenfragen heraus, ökonomische Fragen müssen nicht gestellt, soziale Ungleichheiten und instititutionelle Rassismen nicht thematisiert werden.

Ewige Unterordnung?

„In der permanenten Leier vom Verfall unserer Kultur und unserer Werte durch angebliche Eindringlinge äußert sich der rechte Wunsch nach einer ewigen Ordnung“, befindet Klammer.  Globale Migrationsbewegungen können sich so nur über eine bewusste Strategie bzw. Verschwörung  erklärt werden. Die eigentlichen Schuldigen wären dabei gar nicht so sehr die Muslime selbst, sondern jene, die sie hereinlassen, die so genannten „Multikulturalisten“. „Die große Angst ist die, dass die rassistische Hierarchisierung verloren geht oder sich sogar umdreht! Sehnsüchtig wird das alte Gastarbeiter-Modell verklärt, in dem sich die Gastarbeiter  zumindest noch demütig unterworfen hätten,“ spitzt die junge Frau ihre Analyse zu. Denn die Söhne und Töchter der GastarbeiterInnen melden sich in der Öffentlichkeit zu Wort,  die dritte Generation ist in Österreich geboren. So einfach ein- und unterordnen lassen die sich nicht.

 

 


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