USA: Chapel Hill Opfer werden zum Symbol der Hingabe
16.02.2015 | 15:11 | Nermin Ismail
Vor einer Woche wurden drei junge US- amerikanische MuslimInnen in den USA von einem weißen US- amerikanischen Terroristen kaltblutig erschossen. Das Schweigen der Mainstream-Medien wurde durch die sozialen Netzwerke gebrochen und hat Vieles sichtbar gemacht. Hier reflektiert die Journalistin Nermin Ismail über diese Tat und was sie für junge MuslimInnen weltweit bedeutet.
Es ist Dienstagabend, 10. Februar 2015. Razan, 19-jährige Architekturstudentin, kommt ihre frisch verheiratete Schwester Yusor und ihren Ehemann Deah besuchen. Die beiden haben erst vor kurzer Zeit, Ende Dezember, geheiratet. Es hätte ein normaler, schöner, angenehmer Abend sein können, doch er endete ganz anders. Die drei StudentInnen werden in Chapel Hill nahe der North California State University von ihrem Nachbarn Craig Stephen Hicks erschossen. Er stellt sich kurz nach der Tat. Einen Tag später erzählt seine Frau von einem Disput mit den Nachbarn aufgrund der Parkplatzsituation. Sie möchte klarmachen, ihr Mann sei kein Rassist gewesen, die Tat hätte er nicht aus Hass begangen. Doch die Eltern und Angehörigen der Opfer haben anderes zu berichten. Yusors Freundin Amira Ata spricht in einem Interview von Drohungen und auch ihr Vater weiß, dass seine Tochter Angst vor dem Nachbarn hatte. Der Tod der drei StudentInnen hat die Welt gerüttelt. Auf der ganzen Welt haben sich tausende Menschen gesammelt, um diesen Menschen zu gedenken und der Familie zu zeigen, dass die Welt ihnen beisteht.
Yusors beste Freundin Amira Ata schrieb einen Brief, in dem sie erklärt: “My best friend was killed and I don´t know why.” Es ist wie ein verzweifelter Schrei in die Welt. Eine große Ungerechtigkeit passiert, niemand kann es nachvollziehen. Yusor und Deah waren aktive Menschen und in ihrem Ort bekannt. Erst am 30. Jänner organisierten sie eine Hilfsaktion. Deah studierte Zahnmedizin und auch Yusor wollte sich diesem Bereich der Medizin widmen. In Durham verteilten sie Utensilien für die Zahnhygiene und Essen an Obdachlose. Deah war 23, seine Frau erst 21. Sein Kindheitsfreund Wald Nazari erzählte später von seinem Freund und seine Liebesgeschichte.
Um die 10.000 Amerikaner versammelten sich Stunden nach dem Attentat am “UNC-Chapel Hill’s Pit”, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Diese Menschen scheinen keine gewöhnlichen Jugendlichen gewesen zu sein. Die beiden waren in ihrer Community beliebt und bekannt für ihr Engagement. Sie waren sportlich, leidenschaftlich in ihrem Einsatz für das Gute und verantwortungsbewusst. Deah Barakat verbrachte seinen letzten Sommer in der Türkei, wo er syrische Flüchtlinge medizinisch versorgte.
Sein Freund Naserddine Dahmane aber auch die Väter der Opfer machen in ihren Gesprächen und Meldungen darauf aufmerksam, dass die Medienberichterstattung in Amerika das Bild der Muslime stark verzerren. Naserddine Dahmane, Deahs Freund meint im Gespräch mit Nermin Ismail dazu: “It’s due to lots of media coverage mainly on ISIS and all the horrible groups that do not represent Islam in any way shape or form. So the media instilled this hatred towards Muslims in a slightly direct and indirect way in the minds of the American public. We are just like everyone else. We lead normal lives and we obey the law and give to our communities. That’s what Islam is all about but unfortunately the media do not do a good job at covering what really Muslims are all about.”
Muslime weltweit fühlen sich missrepräsentiert und in ein schlechtes Licht gerückt. Die Hashtags #muslimlivesmatter und #chapelhillshooting kursierten Minuten nach der ersten Meldung zum Mord in allen sozialen Netzwerken. Die Enttäuschung über die fehlende Berichterstattung seitens westlicher Medien war deutlich zu spüren. Freunde und Angehörige, Kollegen und Bekannte teilen ihre Erfahrungen mit den Opfern. Alle wollen zeigen: Muslimisches Leben zählt. Sie alle wollen das Lebenswerk der getöteten Aktivisten vollenden und versuchen Mut und Hoffnung zu verbreiten.
Was sich seine Community und die Familie wünschen, beschreibt Naserddine Dahmane mit folgenden Worten: “What the families and community want is true justice and a real explanation of what really happened to Deah, Yusor, and Razan. The family and the whole community are demanding for further investigation and categorizing this as a hate crime for a religious reason not over an argument for a parking spot. The father of one of the victims addressed this request yesterday at the funeral prayer to the president Barak Obama to have the Feds (FBI) further investigate the case. The families do not believe this argument was over a parking spot but they in fact strongly believe that it was because they were Muslims. The FBI confirmed yesterday that will open a federal investigation on this case and the families are hoping they categorize it as a “hate crime” and for what it truly is.”
Nichts wird diese drei Menschen zurückbringen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten. Suzanne Barakat, die Schwester des ermordeten Studenten, sagt im CNN- Interview am 13.02.2015, dass sie sich erhofft, es komme nie wieder zu solch einem Mord. Doch dafür muss viel getan werden und dazu muss man sicherstellen, dass “Muslims are respected and are protected, and are not left to live in fear.” Suzanne möchte ein Bewusstsein schaffen. Der Tod dieser Menschen rüttelte die gesamte Welt und legte viele Wunden offen: Muslime in Europa und Amerika berichten von ihren Diskriminierungserfahrungen und möchten darauf aufmerksam machen. Aber auch die Medienberichterstattung wird seit Tagen stark kritisiert. Viele meinen, wäre der Täter ein Muslim, hätte man ihn Terrorist genannt und der Geschichte mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Der Vater der ermodeten Schwestern macht die Medien mitverantwortlich. Auch die Schwester des Opfers meinte dazu:“I have not hear anyone used the term terror here. I wonder why the douple standard. He has terrorized our family. It is time for people to call it for what it is.”
Mit Yusor, Deah und Razan können sich viele muslimische Jugendliche im Westen identifizieren; sie sind jung, gebildet und engagiert und haben es satt ständig mit Vorurteilen kämpfen zu müssen. Die drei StudentInnen bleiben in Erinnerung. Sie sind zum Symbol geworden; das Symbol der Liebe, der Hingabe und der Hoffnung.